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Die Befürchtungen bewahrheiten sich: Giulia Steingruber erleidet am Dreiländerkampf vom vergangenen Samstag in Saint-Etienne schwere Verletzungen.
48 Stunden hatte Giulia Steingruber gehofft. Gehofft, dass sich die Verletzung am Samstag bei der Landung nach einem gestreckten Doppelsalto rückwärts am Boden als weniger schlimm als befürchtet herausstellt. Gehofft, dass sie womöglich wie 2015 an den Weltmeisterschaften in Glasgow mit einem blauen Auge davon kommen würde. Damals war die St. Gallerin im Final am Sprung gestürzt, zog sich dabei aber "nur" eine Innenband- und Kapselzerrung sowie eine Knochenprellung im rechten Knie zu.
In Saint-Etienne hatte Steingruber keinen Schutzengel mehr an ihrer Seite, die Diagnose nach der MRI-Untersuchung in Biel erwies sich als niederschmetternd. Neben einem Kreuzbandriss zog sich die beste Schweizer Kunstturnerin aller Zeiten auch noch einen Anriss des Meniskus und möglicherweise ein Mini-Fraktur des Schienbeins zu. Am Dienstag folgt eine zweite Untersuchung, dann wollen die Ärzte in Absprache mit der Athletin entscheiden, wann das Knie operiert werden soll.
Der Schock sass tief bei Steingruber. "Die Enttäuschung ist riesig", liess sie sich in einem Communiqué des Schweizerischen Turnverbands zitieren. "Ich war gut in Form und voll motiviert für die kommenden Titelkämpfe." Glasgow scheint ihr nicht wohlgesinnt zu sein. Die Europameisterschaften in der schottischen Metropole im August wird sie ebenso verpassen wie die Weltmeisterschaften Ende Oktober in Doha. Mindestens neun Monate wird es dauern, bis Steingruber ihr Knie wieder voll belasten kann.
Zukunft ist offen
Wann und ob überhaupt die 24-jährige Gossauerin wieder auf die Wettkampfbühne zurückkehren wird, ist offen. Gerade am Sprung und am Boden, den beiden Spezialdisziplinen Steingrubers, sind die Knie bei den Landungen einer extremen Belastung ausgesetzt. Ob das Gelenk wieder dieselbe Stabilität wie vor der Verletzung erreichen wird, bleibt abzuwarten. Roman Schweizer, einst Mitglied des Nationalkaders und SRF-Experte, ist allerdings überzeugt, dass Steingruber ihr bisheriges Niveau wieder erreichen kann. "Falls sie die Motivation dafür aufbringt."
Das gleiche Schicksal wie Steingruber war einst Aliya Mustafina widerfahren. Die Mehrkampf-Weltmeisterin aus Russland von 2010 erlitt an den Europameisterschaften 2011 in Berlin bei der Landung des Amanar-Sprungs einen Kreuzbandriss. Mustafina kehrte nach einem Jahr zurück und holte in London mit Gold am Stufenbarren eine von vier Olympia-Medaillen. Auf Einsätze am Sprung verzichtete sie mit Ausnahme des Mehrkampfs fortan allerdings.
"Was die Verletzung für meine Karriere bedeutet, weiss ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht", sagte Steingruber. Sie hoffe erst einmal, dass die Operation gut verlaufen werde. "Danach brauche ich ein paar Tage Ruhe, um den Schock zu verdauen." Als langfristiges Ziel hatte die Olympia- und WM-Dritte am Sprung Tokio 2020 deklariert. Ob sie in Japan an ihren dritten Olympischen Spielen nach London 2012 und Rio de Janeiro 2016 teilnehmen wird, steht nun aber in den Sternen.
Schock für den STV
Für den Schweizerischen Turnverband ist der Ausfall seiner Vorzeigeathletin ein herber Verlust. "Die Verletzung ist ein grosser Schock für die Schweizer Turnfamilie", sagte Felix Stingelin, der Chef Spitzensport des STV. "Dass Giulia kurz vor der EM eine solche Verletzung erleidet, tut weh." Gerade an europäischen Titelkämpfen war Steingruber in den letzten Jahren ein Garant für Edelmetall. Von 2012 bis 2016 holte sie insgesamt neun EM-Medaillen (fünf Titel).
Im letzten Jahr hatte sie erstmals eine EM verpasst, nachdem sie sich Anfang 2017 einer Operation am Fussgelenk hatte unterziehen müssen. Danach kämpfte sie sich bravourös zurück und gewann im Herbst zur eigenen Überraschung an den Weltmeisterschaften in Montreal mit Bronze am Sprung ihre erste WM-Medaille.