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Ostschweiz
Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Die Kreis Wasserbau Immo AG will den Kohleturm auf ihrem Gelände in Weinfelden aus Sicherheitsgründen abreissen. Betroffen von diesem Vorhaben wäre auch die grösste Dohlen-Kolonie im Thurgau.
Das Abbruchgesuch ist unauffällig, umso auffälliger das betroffene Gebäude. «Rückbau Gebäude Assek. Nrn. 1347 und 2029, Walkestrasse 101» steht im Baugesuch, dass derzeit im Bauamt Weinfelden aufliegt und von der Kreis Wasserbau Immo AG eingereicht wurde. Beim Gebäude handelt es sich um den alten Kohleturm an der Eisenbahnlinie nach Bussnang. Früher wurden in diesem Turm Holzkohlebriketts hergestellt – besonders wichtig waren sie im Zweiten Weltkrieg. Seit vielen Jahren steht der Turm nun aber leer und er verlottert.
«Unser Problem ist der desolate Zustand des Gebäudes», sagt Christoph Haffa, Verwaltungsratspräsident der Kreis Wasserbau Immo AG. Die Firma hat das Gelände vor zwei Jahren von der Strabag AG übernommen und wurde danach schon mehrmals von den SBB kontaktiert. «Sie forderte uns auf, unsere Hausaufgaben zu machen. Es brauchte provisorische Sicherungsmassnahmen am Turm, weil Ziegel schon von Dach gefallen sind und auch das Mauerwerk durch Witterungsschäden instabil ist», sagt Haffa.
«Bei der Höhe des Dachs sind Arbeiten dort oben sehr schwierig.»
Da sie den Turm nicht nützen kann, will die Kreis Wasserbau Immo AG ihn nun abreissen lasen, um den Gefahrenherd zu bannen. Im selben Zug sollen auch die lang gezogenen Baracken verschwinden, in denen früher Arbeiter untergebracht waren (siehe Nachgefragt).
Eine Art von Bewohnern gibt es jedoch noch auf dem Gelände: Dohlen. Extra für sie wurden im Turm Nistplätze eingerichtet, als dieser nicht mehr gebraucht wurde. «Es gibt im Turm natürliche Nistplätze in den Nischen des alten Bauwerks. Dazu haben wir im Jahr 1992 zusätzlich 21 Nistkästen eingebaut und ab da den Bestand genau gezählt für die Vogelwarte Sempach», sagt Elisabeth Isler, ehemalige Präsidentin des Vogelschutzvereins Weinfelden. «Die Vögel fühlen sich dort sehr wohl, sie sind geschützt, ungestört und finden in der Nähe genug Futter.»
«Es leben um die 25 Paare dort, das ist die grösste Kolonie im Thurgau.»
Sie verstehe die Abbruchpläne, finde es aber natürlich schade. Es läuft auch bereits die Suche nach alternativen Standorten für die Nistplätze. «Immens wichtig ist einfach, dass der Turm nicht vor Ende der Brutzeit abgerissen wird, also frühestens Ende Juni, dann fliegen sie aus.»
Für die Anliegen des Vogelschutzes hat Christoph Haffa ein offenes Ohr. «Wir haben Gespräche mit dem Vogelschutz geführt. Man kann aber natürlich nicht den Bahnverkehr zu Gunsten von Nistplätzen für Vögel opfern. Und wir müssten ja auch für allfällige Schäden an der Bahnstrecke oder den Zügen geradestehen.»
Der Weinfelder Historiker Michael Mente hat sich für die 100-Jahre-Jubiläums-Festschrift «Von der MThB zur Thurbo» mit dem Kohleturm befasst. Für ihn ist es ein spannendes Gebäude.
Wozu diente der Kohleturm?
Michael Mente: Im Turm wurden Kohlebriketts aus Anthrazit und Bitumen hergestellt, sogenannte Eierkohlen. Sie hatten aber nicht den besten Ruf, haben zwar stundenlang geglüht, lieferten aber kaum die Hälfte der Kohle-Heizwerte. Eingesetzt wurden sie in Dampfloks, und auch die Weinfelder Bevölkerung konnte während des Krieges Briketts zum Heizen gegen Coupons beziehen.
Wie lange wurden im Turm Briketts produziert?
Nicht sehr lange. Anfangs der 1950er-Jahre dürfte der Betrieb wieder eingestellt worden sein.
Was hat es mit den Baracken neben dem Turm auf sich?
Sie waren die Herberge für die Brikettfabrikarbeiter. Später lebten Gastarbeiter aus der Baubranche dort. Ich selbst habe auch Verwandte aus Italien, die dort gewohnt haben. Die nicht gerade stattliche Unterkunft nannten sie «il deposito».