Gesundheitsversorgung
Zustupf für Quereinsteiger und Ausbildungspflicht für Praxisinstitutionen: So will der Kanton St.Gallen die Pflegeinitiative umsetzen

Der Kanton St.Gallen will die Pflegeinitiative schnell und wirksam umsetzen und dabei eine führende Rolle in der Schweiz einnehmen. Die Massnahmen hat der Kanton getroffen, doch fehlt noch die gesetzliche Grundlage.

Marcel Elsener
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Auch sie könnten von der Pflegeinitiative profitieren: Mitarbeiter der St.Galler Spitex.

Auch sie könnten von der Pflegeinitiative profitieren: Mitarbeiter der St.Galler Spitex.

Bild: Michel Canonica

Die St.Galler Regierung startet mit der Umsetzung der Pflegeinitative. Gemäss den Vorgaben des Bundes werden deren Anliegen in zwei Etappen erfüllt: erstens wird die Ausbildung in der Pflege gefördert (Ausbildungsoffensive), zweitens sollen die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessert werden.

Für die Ausbildungsoffensive sehen Bund und Kantone einen Betrag von bis zu 1 Milliarde Franken über einen Zeitraum von acht Jahren vor. Auf Basis der seit Jahren gesammelten Daten bezüglich des Fachkräftemangels im Kanton St.Gallen hat die Regierung nun ein Massnahmenpaket erarbeitet, wie die Staatskanzlei mitteilt.

3800 statt nur 1300 Franken Lohn

Kernpunkt des Pakets: Die Regierung will Quereinsteigende sowie Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit (FaGe) im Übergang zum Studium Pflege HF/FH finanziell unterstützen. Mit dem geplanten Ausbildungsbeitrag des Kantons könnten die Studierenden ihren Lebensunterhalt sichern, schreibt sie. Das erhöhe die Attraktivität, sich weiterzubilden.

Tatsächlich dürfte der knappe «Lehrlingslohn» im zwei- bis dreijährigen Weiterbildungsstudium ein wichtiger Grund sein, dass es an Pflegefachkräften mangelt: Von 1300 Franken kann niemand leben. Der künftig erhöhte Lohn wird in der Mitteilung nicht beziffert. Gesundheitsdirektor Bruno Damann spricht auf Anfrage von 3800 bis 4000 Franken. Zwar gebe es derzeit genug FaGe, aber zu wenige strebten eine höhere Ausbildung an: Statt wie heute 30 Prozent müssten sich im Kanton 50 Prozent der Gesundheitsfachleute weiterbilden, um die Pflege zu sichern.

Man scheue sich vor Zahlen, weil es noch zu viele Unwägbarkeiten gebe, sagt Damann. So gehe die Verordnung des Bundes erst im Herbst in die Vernehmlassung und stosse bei den Kantonen auf Widerstand – unter anderem wegen des Verteilschlüssels und der vorgesehenen jährlichen Eingabepflicht. Grob geschätzt geht St.Gallen von 7 Prozent der jährlich verteilten 62,5 Millionen Bundesgelder aus (eine halbe Milliarde über acht Jahre), was rund 5 Millionen bedeuten würde. Um alle Studierenden zu unterstützen, müsse man mit 10 bis 11 Millionen Kosten rechnen.

Erste Massnahmen ab nächstem Jahr in Kraft

Weiter möchte die Regierung Praxisinstitutionen sämtlicher Versorgungsbereiche zum Angebot von Ausbildungsplätzen verpflichten und diese zum Ausgleich finanziell unterstützen. Zudem plant sie, bereichsübergreifende Ausbildungsverbunde finanziell zu fördern. Mit diesen beiden Massnahmen gewährleiste sie die Weiterführung der hochstehenden Ausbildung zur diplomierten Pflegefachperson HF/FH, wie es heisst.

Erste Massnahmen sollen bereits nächstes Jahr in Kraft treten, das gesamte Massnahmenpaket 2025. Im Budget 2024 werde zumindest ein Betrag für den neu beginnenden Weiterbildungsjahrgang eingesetzt, erklärt Damann. Bis wann das Gesetz geschaffen werde, sei schwierig zu sagen, aber man hoffe «trotzdem zügig voranzukommen». Das letzte Wort zu den Massnahmen und also den finanziellen Mitteln werde sicher die St.Galler Stimmbevölkerung haben – bestenfalls Ende 2024.

Die Regierung ist überzeugt, dass der Kanton St.Gallen mit seinem Massnahmenpaket «eine führende Rolle in der raschen Umsetzung der Pflegeinitiative einnimmt».

Berufsverband beklagt Diskrepanz zu Polizeilöhnen

«Verhalten positiv» nimmt Edith Wohlfender vom Berufverband Pflege das Massnahmenpaket zur Kenntnis. Die Geschäftsführerin der SBK-Sektion SG TG AR AI begrüsst die Projektarbeit des Kantons, mahnt aber weiterhin die Diskrepanz der Ausbildungslöhne von Pflege und Polizei an. Obwohl Anforderungen und Dienstzeiten beider Berufe gleich gelagert seien, sei die Pflege anscheinend als «typischer Frauenberuf» der Polizei als «typischer Männerberuf» noch immer nicht gleich gestellt. «Dabei wurde dies in Lohngleichheitsklagen mehrfach anerkannt.» Wie Polizisten in der Weiterbildung würden auch FaGe bereits als volle Arbeitskräfte eingesetzt – auch dort, wo es um Leben und Tod gehe, betont Wohlfender. Um seinem Gesundheitsauftrag nachzukommen, könnte der Kanton die Löhne im Personalreglement regeln.

Die SP zeigt sich erfreut, dass es vorwärts gehe und als Antwort auf den Fachkräftemangel die Attraktivität der Ausbildung im Pflegebereich gesteigert werde. Nun brauche es die Beschlüsse im Kantonsrat und seien die bürgerlichen Parteien gefordert.