Michael Elsener steht kurz vor der Premiere seiner Show «Mediengeil». Bei einer Omelette spricht der Zuger über die Spontanität – und die wohltuende Abwesenheit des Handys – beim Reisen.
Sie haben für unser Treffen die Crêperie Intermezzo in Zug vorgeschlagen. Sind Sie ein Omeletten-Fan?
Michael Elsener: Oh, ja. Immer, wenn ich in eine Apfel-Omelette beisse, kommen Erinnerungen an damals hoch, als ich als kleiner Junge nach der Schule nach Hause kam und mich über beide Ohren freute, weil es schon von der Strasse her so fein duftete.
Machen Sie sie auch selber – mit Wenden ohne Kelle?
Elsener: Es kommt darauf an, wie viele Äpfel im Teig sind und wie gross der Abstand zur Küchendecke ist. Denn wenn ich werfe, dann gerne hoch.
Als wir uns zum letzten Mal zum Interview trafen, waren Sie gerade 23 und zogen von zu Hause aus. Wir sprachen von Ihren Haushalts-, Koch- und Schwiegersohn-Qualitäten. Diese Woche werden Sie 30. Was hat sich getan in diesen sieben Jahren?
Elsener: Ausgezogen bin ich ja schon früher, weil ich in Florenz gelebt habe. Aber in der Zwischenzeit, hmmm, ich würde sagen, ich habe die Pubertät überstanden, und meine Locken sind ein bisschen länger geworden. Was ich gelernt habe ist, dass ich glücklicher bin, wenn ich weniger mache.
In der Sendung «Aeschbacher» sagten Sie kürzlich, dass Sie seit neustem beim Alkoholeinkaufen nicht mehr nach Ihrer ID gefragt werden.
Elsener: Genau. Das war, als ich aus Südamerika zurückkam und einen Caipirinha-Abend machen wollte. Sonst musste ich immer meine ID zeigen, aber diesmal wurde ich einfach durchgewunken. Einen Moment lang war ich ziemlich irritiert. Andererseits hat es mich gefreut, denn sonst heisst es immer, ich sei noch ein halber Teenie. Kürzlich sagte sogar mein siebenjähriges Göttimeitli zu mir: «Götti, jetzt hör emal uf, Seich mache.»
Immerhin können Sie unterdessen glaub vollumfänglich von der Comedy leben.
Elsener: Ja, das kann ich. Es löst bei mir bisweilen richtiggehende Glücksgefühle aus, dass ich mit dem, was ich am allerliebsten mache, auch tatsächlich meinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Wohnen Sie bereits in einem Reihenhäuschen am Zuger Villenhang?
Elsener: Nein, der Hang ist mir zu steil. Wenn ich auch noch so viel Geld hätte, das wäre es mir nicht wert, wenn ich jedes Mal bis zuoberst am Hang hinaufpedalen müsste, denn ich will alles mit dem Velo machen. Aber schön, dass Sie fragen: Ich suche momentan eine neue Wohnung mit Aussicht. Wer gerne mein Nachbar werden möchte, bitte melden.
Um die oben erwähnte Schwiegermutterthematik noch abzuhaken: Lesen wir in der Klatschpresse schon bald über eine «geplante Hochzeit»?
Elsener: Ich plane zurzeit einzig mein Geburtstagsfest, von dem ich hoffe, dass es bei all den Darbietungen meiner Freunde nicht so herauskommt, wie eine Hochzeit.
In der Zuger Galvanik haben Sie monatlich eine eigene Late-Night-Show. Ist Talkmastersein ein heimlicher Wunschtraum von Ihnen?
Elsener: Ich verwickle einfach gerne andere Leute ins Gespräch und stelle ihnen Fragen, die sie so nicht erwarten. Dabei kommt meistens sehr Aufschlussreiches heraus. Wenn ich mich so in der Szene umsehe, gibt es den einfühlsamen Talk à la Aeschbacher, den kontroversen Talk à la Schawinski, aber was es nicht gibt, ist einen lustiger Talk. Das ist genau mein Ding.
Haben Sie nicht manchmal Panik, wenn der Abend näherrückt und Sie noch keine zündende Ideen haben?
Elsener: Diesen Nervenkitzel habe ich gerne. Direkt am Morgen nach einer Show frage ich mich: Wen könnte ich als Nächstes einladen? Wie könnte ich noch kreativere Fragen stellen, um eine noch bessere Show zu gestalten? Es bringt mich dazu, mich laufend zu hinterfragen und besser zu werden.
Haben Sie einen Trick, um im «Notfall» auf kreative Ideen zu kommen?
Elsener: Kreativität funktioniert bei mir am besten, wenn ich keinen Druck habe. Dann denkt man überall hin, während man bei Druck sehr eingeengt ist. Es gibt aber auch Comedy-Tools, die fast immer funktionieren. Zum Beispiel nimmt man einen Charakter – etwa Ueli Maurer – und setzt ihn in ein Umfeld, in das er nicht passt – etwa ein Asylantenheim. Was passiert? Da gehen bei mir gleich tausend Türchen auf im Kopf. Und bei Ueli Maurer gehen natürlich tausend Türchen zu.
(Eine Polizistin geht vorbei. Sie erkennt Elsener, der während des Interviews fotografiert wird, und nickt ihm zu.)
Elsener: Grüezi! Wir machen gerade ein Beweisfoto. Schauen Sie meinen Crêpeteller an, ich habe regelrecht randaliert.
Sie sind extrem schlagfertig. Wann waren Sie zum letzten Mal einfach nur baff?
Elsener: Vielleicht in Situationen, wo es um Zivilcourage geht? Wenn ich ganz gut drauf bin und sehe, wie jemand Abfall auf den Boden fallen lässt, kann es sein, dass ich vor ihn hinstehe, «Äxgüsi» sage und ihm demonstrativ meine Petflasche vor die Füsse fallen lasse. Wenn ich hingegen nicht so gut drauf bin, mache ich gar nichts, rege mich nachher auf und sage: «Michi, das geht jetzt gar nicht.» Aber auch wenn ich in einer Talksendung zu Gast war, kommen mir logischerweise nachts im Bett die besseren Antworten in den Sinn.
Sie reisten diesen Frühling ein paar Monate mit dem Rucksack durch Südamerika. Wo waren Sie genau?
Elsener: Zuerst etwas längere Zeit in Buenos Aires und dann dort wo es mich gerade hinverschlagen hat: Chile, Bolivien, Peru, Kolumbien ... Manchmal hatte ich ein bestimmtes Reiseziel, aber dann kam es doch anders. Einmal kam ich abends um 9 Uhr in einer argentinischen Jugendherberge an. Da fragten mich drei Schwedinnen, ob ich am Morgen auf eine dreitägige Bergtour mitkäme. Ich sagte zuerst Nein, denn ich hatte vor, am nächsten Tag nach Salta weiterzureisen. Doch wer sagte denn, dass ich nach Salta muss? Am nächsten Morgen um 6 Uhr brach ich mit ihnen auf auf die Bergtour. Ich mag dieses Lebensgefühl, dieses Spontane, denn in der Schweiz ist mein Leben sehr durchgeplant. Ich merkte, wie vieles im Leben doch eigentlich Zufall ist. Wo man hinkommt, wen man kennen lernt ...
Es wird Ihnen ja nicht schwergefallen zu sein, Menschen kennen zu lernen.
Elsener: Wenn ich in Peru oder Bolivien eine Bar betrat, kam die ganze Aufmerksamkeit fadengerade auf mich. Gerade auf dem Land draussen wollten die Leute immer meine Locken berühren oder sich aus der Nähe vergewissern, ob meine blauen Augen echt sind. Zuerst war es irritierend, aber gerade dank meines auffallenden Aussehens wurde ich öfter an kleine Feste oder zum Übernachten eingeladen – einmal lebte ich eine ganze Woche bei einer Familie in La Paz. Es ging mir auch nicht darum, die Sehenswürdigkeiten abzuklappern, sondern ich wollte das Leben dieser Menschen spüren.
Oft sind ja die Dinge, die schieflaufen, die besten Ferienerlebnisse.
Elsener: Wie wahr. An den Busbahnhöfen konnte man jeweils aussuchen, mit welcher Busfirma man reist. Am Anfang fragte ich immer nach der zuverlässigsten. Mit der Zeit sagte ich mir: «Ach, Michi, jetzt sei doch nicht so schweizerisch» und begann, einfach die erstbeste zu nehmen. Ich kaufte am Schalter ein Ticket und wartete ... eine Stunde .... zwei Stunden ... Als ich dann an einem anderen Schalter nachfragte, sagte man mir, dass es dieses Busunternehmen gar nicht mehr gebe. Da sagte ich: «Ich hab von denen aber eben ein Ticket gekauft.» – Sagt sie mir: «Ja, Tickets kann man schon noch kaufen.» – Etwas verkaufen, das es gar nicht gibt. Was ist denn das für eine geile Geschäftsidee? Ich habe zehn Minuten einfach laut herausgelacht.
Ihr neues Programm heisst «Mediengeil». Ist das ein Geständnis?
Elsener: Klar. Ich bin mediengeil, und ich würde sagen, wir alle sind in einem gewissen Mass mediengeil. Es löst ja schon Glücksgefühle aus, wenn das Smartphone in der Hosentasche vibriert und uns so sagt, dass wir wichtig sind.
Wie käme es heraus, wenn man Ihnen einen Monat lang den Medienkonsum verbieten würde?
Elsener: Das habe ich mir in Südamerika selbst verordnet. Abgesehen davon hatte man in der Pampa draussen eh keinen Empfang. Am Anfang war da immer das Gefühl, ich verpasse etwas. Aber dann ging das plötzlich weg. Mir fiel auf, wie wir bei uns beispielsweise wartend auf dem Perron schon nur wegen zwei Minuten Verspätung des Zuges das Smartphone hervorholen und wie viel Zeit damit flöten geht, in der man auch einfach nur warten, über sich selbst nachdenken oder mal kurz entspannen könnte.
Und solche Tatsachen nehmen Sie in Ihrer Show auf die Schippe?
Elsener: Genau. Oder die grossen Medienkonzerne, die mehr und mehr Medien unter ihrem Dach vereinen und damit die Meinungsvielfalt immer gleichförmiger machen. Oder die privaten Radiosender, wo man das Gefühl hat, dass überall der gleiche Moderator redet. Oder auch das Ausmass, in dem Google mitbestimmt, in welchem Hotel wir unsere Ferien verbringen.
Sie treten auch in Deutschland auf. Funktioniert der Humor dort gleich?
Elsener: Hochdeutsch ist einfach eine temporeichere Sprache. Es gibt eine Nummer, die ich sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland spiele. Es ist die identische Nummer, aber in Deutschland bin ich 45 Sekunden schneller damit fertig.
Apropos Kulturunterschiede: Den Song Ihrer Kunstfigur Bostic Besic, «La din Jugo use», den Sie diesen Sommer auf Youtube stellten, hat ja einigen Wirbel ausgelöst.
Elsener: Für mich war das eine spannende Medienerfahrung. Ein Lehrstück dazu, was im Sommerloch so alles zu einem Thema werden kann. Der Song war nämlich schon sechs Wochen lang auf YouTube veröffentlicht, und ich habe während dieser Zeit nur positives Feedback bekommen, etwa von Lehrern, die sagten, sie hören den Song mit ihren Schülern an. Dann kam eine Gratiszeitung und sagte: «Dieser Song provoziert», und schon kamen die Leute auf den Plan, die nebenberuflich Kommentarschreiber im Internet sind, und sonderten ein paar empörte Posts ab.
Was haben jene falsch verstanden, die sich empörten?
Elsener: Die Grundidee des Songs – welche von den allermeisten auch richtig verstanden wurde – war die folgende: Den Secondos aus Balkanländern werden von uns Schweizern bestimmte Klischees nachgesagt. Ich dachte, o. k., ich suche diese Klischees bei den Schweizern und drehe den Spiess um. Damit wollte ich zeigen, dass wir eigentlich viel ähnlicher sind, als wir denken.
Viele Comedians sagen, erfolgreich könne nur sein, wer auch Kritiker habe. Aber will man am Ende nicht doch von allen gemocht werden?
Elsener: Wenn ich merke, dass viele Menschen den gleichen Humor haben wie ich und deshalb in meine Vorstellung kommen, freut mich das. Das heisst aber nicht, dass ich das Bedürfnis habe, allen zu gefallen. Wenn ich allen gefallen würde, wärs irgendwie nichts. Ich mache einfach ein Humorangebot. Das ist das Schöne am Kabarettistsein, das Publikum sucht einen aus, nicht umgekehrt.
Aber wems nicht gefallen hat, der meldet sich auch?
Elsener: Klar. Meistens entstehen daraus amüsante Unterhaltungen. Mal schrieb mir ein Mann, der sich als emeritierter Professor für dies und das an der hochrenommierten Uni so und so ausgab. Er teilte mir mit, er hätte meine Pointe über Jesus geschmacklos gefunden und sei deshalb in der Pause heimgegangen. Ich schrieb ihm zurück, die Pointe sei nicht gegen Jesus gewesen, sondern gegen jene Leute, die die Bibel instrumentalisieren, um etwa gegen die Homo-Ehe zu sein. Und dass ich es aber einen guten Entscheid fände, in der Pause zu gehen, weil ich glaube, dass sein Jesus genau gleich entschieden hätte.
Wo hört es auf mit dem Spass? Darf man zum Beispiel Witze machen über afrikanische Bootsflüchtlinge?
Elsener: Wenn man Witze über die Ärmsten der Armen macht, hat man den Sinn von Humor nicht verstanden. Ich mache gerne Pointen über uns alle oder besser gestellte Leute wie beispielsweise einen Bundesrat. Heute Abend trete ich an einem Anlass auf, wo auch Johann Schneider-Ammann anwesend sein wird – der mir schon ausrichten liess, ihn bitte nicht zu parodieren. Er ist nun mal Bundesrat, und mit seinen verschwurbelten Statements versucht er, der Bevölkerung die komplexe Wirtschaft näherzubringen. Das schreit förmlich nach einer Parodie. Ich muss es einfach tun ...
Interview Annette Wirthlin
Zur Person wia. Der Politikwissenschaftler Michael Elsener, der noch diese Woche seinen 30. Geburtstag feiert, ist als Kabarettist schweizweit und mittlerweile auch in Deutschland bekannt. Demnächst geht er mit seinem dritten abendfüllenden Solo-Bühnenprogramm auf Tournee. Es heisst «Mediengeil» und startet am 22. September mit einem Heimspiel im Theater Casino Zug. Er steht zudem immer mal wieder für die SRF-Satiresendung «Giacobbo/Müller» vor der Kamera, und seit zwei Jahren veranstaltet er einmal monatlich in der Galvanik in Zug die «Gute Nacht Show», eine den Late-Night-Shows am TV nachempfundene und fürs Theater adaptierte Talkshow, zu der er jeweils einen Gast aus der Polit- oder Showwelt einlädt. Elsener wohnt in Zug und Zürich und ab und zu in Deutschland.
Hinweis: «Mediengeil» spielt vom 22. bis 26. Sept um 20 Uhr in Zug und am 18. Oktober um 19 Uhr in Sursee sowie vom 11. bis 14. November im Kleintheater Luzern. Links zu den Vorverkaufsstellen auf www.michaelelsener.ch.