Industrieroboter in einer Forschungshalle der ETH Zürich bauen ein Holzhaus zusammen, in dem bald Gastforscher wohnen werden. Der Handwerker wird zum Überwacher.
Bruno Knellwolf
Eric, der Zimmermann von der Holzbau-Firma Erne AG, zieht am Schluss noch die Schrauben an. Ganz am Anfang hat er einen Holzbalken auf einen Sägetisch gelegt. Das war’s. Dazwischen haben Roboter einen Hausteil aus Holz zusammengebaut.
Entstehen wird das erste Haus, das «digital entworfen, geplant und gebaut wird», sagt Matthias Kohler, Professor für Architektur und digitale Fabrikation der ETH Zürich. Er ist Projektinitiant dieses digitalen «DFAB-House», das in den nächsten Tagen auf dem Empa-Gelände in Dübendorf fertiggestellt werden wird. «Es ist das Resultat eines zwölfjährigen Forschungsprogramms, das am Schluss zu einem voll funktionsfähigen Wohnhaus führt. Vier Gastforscher werden in diesem Haus leben, das nach allen Regeln der Bauvorschriften erstellt wird», sagt Kohler. «Mit diesem Gebäude wollen wir Mensch und digitale Technologien zusammenbringen». Das bedeutet, dass nicht nur Entwurf und Bau des Hauses digitalisiert sind, sondern auch modernste Technologien im Innenleben des Hauses getestet werden. Das DFAB-House ist Teil des Forschungsgebäudes «Nest» der Empa, zu dem unter anderem auch ein Hausteil ganz aus wiederverwertbarem und Recycling-Material gehört.
«Die Schweiz ist auf dem Weg zur digitalen Baukultur», sagt Kohler. «Wir können heute schon die tragenden Hauptkomponenten eines Gebäudes mit digitalen Mitteln bauen», erklärt Konrad Graser, Projektleiter des DFAB-House. Das dreigeschossige Haus auf dem Empa-Bauplatz sei grösstenteils mit digitalen Verfahren erstellt worden und vereine mehrere neue digitale Bauprozesse unter einem Dach.
Auf der Baustelle selbst ist der «In-Situ-Fabricator» am Werk. «Ein Baustellen-Roboter, der nicht in Vorfertigung arbeitet», sagt Graser. «Er erstellt die Armierung der Wand und spritzt danach den Beton ein». So entsteht mitten im DFAB-House eine s-förmige Wand, für die es keine Schalung braucht. Der Baustellen-Roboter arbeitet wie ein 3D-Drucker. Der Roboter füllt die Drahtgitter mit Spezialbeton, der sich sofort verfestigt. «Über ein Drittel der Kosten im Betonbau fallen auf Material und Arbeit für den Schalungsbau», sagt Kohler. Somit wird auf diese Art Material und Geld gespart, ein Ziel der digitalen Bauweise, wie Kohler erklärt.
Aber nicht nur das. Neben den ökonomischen und ökologischen Vorteilen könnten die Architekten und Ingenieure tragende Wände und Stützen viel freier planen, weil die von Algorithmen optimierten und durch Roboter gebauten Armierungsgitter das zulassen. Die Digitalisierung ermögliche schlankere Strukturen, sagt Graser und zeigt auf eine Betondecke, deren Schalung im 3D-Sanddruck erstellt worden ist. «Wir kommen dabei mit der Hälfte des Materials aus.»
Die tragende Struktur des Hauses besteht aus Holz. Und zwar aus sechs von Robotern vorgefertigten Modulen, die im «Robotic Fabrication Laboratory» der ETH Zürich gebaut werden. Das sei weltweit die erste Forschungshalle, in der Roboter im grossen Massstab ein Haus zusammenbauen könnten. Die Halle hat riesige Ausmasse von 45 auf 17 Meter. Vier Industrieroboter arbeiten darin miteinander. «Heute ist der Holzbau in der Planung schon weitgehend digital. Die Hölzer werden aber noch manuell zusammengefügt», sagt Aleksandra Apolinarska vom Forschungsteam der ETH Zürich.
Nicht so in dieser Halle. Hier werden die Balken und Stützen individuell vom Roboter zugeschnitten und danach gleich zusammengefügt. Tönt einfach, ist aber eine riesige Herausforderung für den Planer und Programmierer. Trägt nämlich ein Zimmermann den zugeschnittenen Balken an den richtigen Ort, kann der intuitiv den Hindernissen ausweichen. Der Roboter muss aber millimetergenau programmiert werden, um durch das Holzstangen-Labyrinth zu kommen. «Architekten, Programmierer, Holzbauer und Robotiker müssen dabei eng zusammenarbeiten», sagt Apolinarksa. Dann aber seien neue architektonische Möglichkeiten vorhanden. Auch die Entwurfstechnik des Architekten ändert sich. Erst entsteht ganz konventionell die Idee für die Raumhülle, danach aber geht es darum, mit Algorithmen den ganzen Bauplan bis zur letzten Schraube zu erstellen.
In der Halle führt Andreas Thoma die Arbeit der Roboter vor. Der Roboter setzt am Balken einen Schnitt an, danach hebt er den Balken, fährt damit zum Modul und setzt diesen als Stütze millimetergenau in die Holzkonstruktion ein. Der Zimmermann Eric muss dann nur noch in die vorgefertigten Löcher die Schrauben einsetzen und anziehen. Noch arbeiten die Roboter recht gemächlich. «Er muss immer genau berechnen, wo sich der andere Roboter befindet», erklärt Thoma. Der Roboter muss wissen, wie der Baustand gerade ist, im Voraus muss ein Bewegungspfad programmiert worden sein. Dieser dauernde Abgleich unter den Robotern über das Koordinatensystem braucht seine Zeit. Irgendwann könne man die Roboter zehn Mal schneller laufen lassen, sagt Thoma.
«Noch sind wir in der Forschung», sagt Thoma. Alles klappe noch nicht, der Roboter könne schon mal in Kollision mit den Schläuchen geraten. Der Fehler liege dann aber nicht bei der Maschine, sondern bei der Programmierung. Inzwischen bringt der Roboter einen zweiten Balken, bevor er diesen einsetzt, überprüft er die Lage und korrigiert 1,5 Millimeter nach oben. Der Balken sitzt. Während die Roboter arbeiten, darf sich kein Mensch in der Arbeitszone befinden. Der würde stören.