Russland sabotiert mit sogenanntem GPS-Spoofing systematisch Navigationssysteme. Im Schwarzen Meer wurden erste Vorfälle dieser elektronischen Kriegführung gemeldet.
Adrian Lobe
Smartphones, Navis, Drohnen – seit die Navigationstechnologie GPS (Global Positioning System) 2000 vom US-Militär zur zivilen Nutzung freigegeben wurde, ist sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die US Air Force, welche die G.P.S. Master Control Station in Colorado betreibt, nennt die GPS-Technik nicht ohne Stolz das «einzige globale Gut». Doch die Signale können manipuliert werden.
In den vergangenen Monaten kam es auf dem Schwarzen Meer wiederholt zu Navigationsproblemen mit GPS. Am 22. Juni meldete ein Schiff vor der Küste der russischen Stadt Noworossijsk der US-Marine-Verwaltung Probleme bei der Positionsbestimmung. Die Bordinstrumente seien unfähig, GPS-Signale zu empfangen. Das Navigationsgerät zeigte dem Kapitän den 32 Kilometer landeinwärts liegenden Flughafen Gelendzhik an – für ein Schiff definitiv die falsche Adresse. Das U.S. Coast Guard Navigation Center bestätigte dem Schiffskapitän daraufhin mit, dass keine Anomalie der GPS-Signale vorläge – die Genauigkeit liege bei drei Metern.
Der Kapitän war mit seiner Irrfahrt nicht allein – zwanzig weitere Schiffe waren von dem Vorfall betroffen. Die US-Küstenwache konnte sich darauf keinen Reim machen. Die Geräte waren in Ordnung. Doch womöglich steckt hinter den GPS-Aussetzern kein technisches Problem, sondern ein gezielter Manipulationsversuch. Wie die Fachzeitschrift «New Scientist» berichtet, könnte Russland mit sogenanntem GPS-Spoofing versucht haben, Navigationssysteme systematisch zu sabotieren. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der gefälschte GPS-Signale ausgesendet werden, die den Empfänger über den genauen Standort täuschen. Das US-Militär macht sich diese Methode bei der Drohnenabwehr zunutze, indem die GPS-Antenne mit falschen Koordinaten gefüttert wird und so gezielt zum Landen oder Absturz gebracht wird.
Todd E. Humphreys, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der University of Austin, ist überzeugt, dass Russland mit elektronischer Kriegsführung experimentiert. 2013 war es ihm und seinen Studenten gelungen, durch Störung von GPS-Signalen eine 60 Meter lange Luxusyacht vom Kurs abzubringen. «Das Verhalten des Empfängers bei den Vorkommnissen im Schwarzen Meer wies auffallende Ähnlichkeiten gegenüber der von uns kontrollierten Attacke auf», sagte Humphreys dem «New Scientist». Der Experte verweist auf ähnliche Vorfälle in Moskau. Im vergangenen Jahr beklagten sich Moskowiter über Aussetzer auf ihren GPS-gestützten Mobile-Apps und Navis im Auto.
Den Nutzern fiel eine seltsame Anomalie auf: Sobald man sich dem Kreml näherte, schien das Koordinatensystem zu spinnen. Das Machtzentrum wirkte wie ein Störsender, der die virtuelle Kompassnadel zum Zittern brachte. Der IT-Spezialist Grigory Bakunov versuchte dem Rätsel auf den Grund zu gehen: Er fuhr mit einem Segway mit einem GPS- und Glonass-Gerät – der russischen GPS-Alternative – ausgestattet zu verschiedenen Uhrzeiten um den Kreml und mass dabei die Signalstärke der Satellitennavigationssysteme.
Ergebnis: Die Signalstärke war zu bestimmten Zeiten auffällig schwach. Bakunov vermutet, dass im Kreml ein Transmitter installiert ist, der Störsignale für GPS-basierte Geräte aussendet. Der Hintergrund: Satellitensignale sind sehr schwach. Mit einem 1 Watt starken Transmitter kann man diese Signale bereits stören. Als der Blogger in einen solchen Spoofing-Kegel geriet, wich seine Position um 30 Kilometer vom Standort ab.
Für Humphreys ist das ein Beleg, dass die russische Regierung GPS-Spoofing als Mittel elektronischer Kriegsführung einsetzt. Als potenzielle Ziele kämen auch autonome Fahrzeuge sowie der GPS-basierte Hochfrequenzhandel an US-Terminbörsen in Betracht. Das Tückische ist, dass ähnlich wie bei Cyberattacken die Manipulation von GPS-Daten nicht sichtbar ist.