Eine Dokumentation ruft Bekanntes und Intimes in Erinnerung. Anlass ist der 20. Todestag, der mitunter einem unvergleichlichen Gedächtniskult dient.
Es gibt Menschen, die sterben und tot bleiben. Bestenfalls leben sie im Andenken ihrer Nächsten weiter. Und dann gibt es jene, die sterben, aber nicht tot sein dürfen, weil sie lebendig bleiben müssen. So wie Lady Diana, Princess of Wales. Ende August jährt sich ihr Todestag zum 20. Mal. Der 31. August 1997 paralysierte eine ganze Nation. Es war ein Sonntagmorgen, an dem die Glocken der Kirchen einen anderen Klang bekamen und der Himmel düster blieb. Seither hält eine ganze Industrie – vom Königshaus über Merchandising-Firmen bis zu TV-Sendern und Filmstudios – das Andenken quasi physisch am Leben, indem die eine Legende die andere ablöst.
Zum Beispiel so: Sorgfältig inszeniert führtendie Söhne William und Harry pünktlich auf den Todestag ihrer im Alter von 36 Jahren verstorbenen Mutter hin ihre persönliche Erinnerungskultur vor. Sie legten in intim anmutenden Dokumentationen dar, wie der Verlust sie noch heute täglich beschäftigt, und gaben ihren Bekenntnissen wohltätigen Flankenschutz mit der Forderung nach Enttabuisierung psychischer Krankheiten. Ganz im Sinn ihrer Mutter beziehungsweise des Bildes, das die Nachwelt von ihr haben soll.
Den öffentlichen Gedenkgottesdienst gestört hat bisher nur der TV-Sender Channel 4 – dafür heftig. Nachdem schon Wochen vor der Ausstrahlung der Dokumentation «Diana: In Her Own Words» leidenschaftlich über die Legitimität, private Aufnahmen von Dianas Sprechtrainer zu einer Fernsehproduktion zusammenzupappen, gestritten worden war, gingen die Wellen im Vereinigten Königreich nach der Ausstrahlung erst recht hoch.
Grund für die zwischen Empörung und Faszination schwankende Aufwallung: Das Bild jener, die ihre Anziehungskraft zeitlebens aus einer Mischung aus Makellosigkeit und Abgründigkeit bezog, schien durch die Schlüpfrigkeit der Aussagen über ihr Ehe- und Sexualleben befleckt zu werden. Doch es blieb eher beim Schein. Denn das ist die Scheinheiligkeit in der britischen Gesellschaft: Der gesellschaftliche Diskurs drehte sich mehr um die Produktion als um das, was die Protagonistin darin von sich gab.
Denn das wussten wir schon vor «In Her Own Words»: Das ach so glamouröse Leben Dianas war vor allem auch traurig. Wegen Prince Charles, wegen «The Lady» Camilla Parker Bowles, wegen der Einsamkeit, wegen der Enttäuschung, wegen des Verrats an der Liebe, den sie als Opfer ebenso wie als Täterin erlebte. Entsprechend fielen die Kommentare nach der Ausstrahlung aus. Royals-Biograf HugoVickers beispielsweise meinte schlicht: «Very poor taste and unhelpful» – sehr schlechter Geschmack und nicht hilfreich.
Das mag sein. Und doch: Auch die Skandalisierung ist immanenter Bestandteil des Gedächtniskults um Diana. Dabei haben alle ihre Rolle zu spielen. Die «Königin der Herzen», der Prince of Wales, Herzogin Camilla, die beiden Söhne – und irgendwann wohl auch Prinz George und Prinzessin Charlotte, die Kinder von Herzogin Catherine und Prinz William. Wetten, dass sie in der Fortschreibung der Diana-Legende irgendwann bedauern werden, ihre Grossmutter nicht gekannt zu haben? Was, abgesehen davon, völlig legitim wäre. Auch ohne kultische Verehrung.
Balz Bruder