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Schweiz
Mit dem Rückenwind des Parlaments kann Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ihr 70-Millionen-Nothilfepaket realisieren
Selten nimmt ein Bundesrat eine Niederlage im Parlament so gelassen wie zuletzt Simonetta Sommaruga (SP). Gegen ihren erklärten Willen haben zuerst der Ständerat und dann gestern auch der Nationalrat mit grosser Mehrheit je zwei Motionen verabschiedet, damit die Regierung im Rahmen der Notverordnungen den Medien ein Hilfspaket in Höhe von rund 70 Millionen Franken schnürt.
Sommaruga rapportierte geflissentliche die Haltung der Regierung: Der Bundesrat lehne das Notpaket ab, da doch ohnehin auf beschleunigtem, aber ordentlichem Gesetzgebungsweg eine stärkere Subventionierung der Medien geschaffen werde. Ihr Widerstand hielt sich jedoch in Grenzen. Schliesslich verlangten die Räte in ihrer konzertierten Aktion die weitgehend gleichen Massnahmen, wie sie Sommaruga Anfang April selbst vorgeschlagen hatte. Doch damit war sie im Gesamtbundesrat abgeblitzt, wie die «Wochenzeitung» publik gemacht hatte. Einzige Pflicht: Verzicht auf Dividendenzahlung
Nach dem Willen des Parlaments sollen die Sondermittel zu 35 Millionen über eine Vertriebsförderung der Presse und zu 30 Millionen Franken den privaten Radio- und Fernsehstationen zugutekommen. Mit weiteren Geld sollen die Kosten für den Basisdienst der Nachrichtenagentur SDA übernommen werden. Das Geld für die elektronischen Medien soll einmalig verteilt und den Schwankungsreserven der Radio- und Fernsehgebühren entnommen werden. Die Mittel für die Presse sollen jährlich fliessen, bis die von Sommaruga vor Wochenfrist vorgestellten zugunsten der Medien rechtswirksam sind.
Einzige Voraussetzung für diese Zahlungen: Die Medienunternehmen schütten für das Geschäftsjahr 2020 keine Dividenden aus. Für 2019 schütteten die TX Group («Tages-Anzeiger») und die NZZ-Gruppe Dividenden aus, nicht aber CH Media, Herausgeberin dieser Zeitung.
Sommarugas Nothilfepaket, mit dem sie scheiterte, wäre mit 78 Millionen Franken etwas teurer gewesen als nun das Paket des Parlaments. Die Differenzen sind aber unwesentlich. Das ordentliche Massnahmepaket, das vielleicht schon im Sommer im Ständerat diskutiert wird, trägt ein Preisschild von 60 Millionen Franken. Mit der Freigabe der Sondermittel werden jedoch Begehrlichkeiten freigesetzt, die bei der ordentlichen Beratung der Vorlage kaum mehr eingefangen werden können.
Beispiel 1: Die indirekte Presseförderung soll nach den Vorstellungen Sommarugas lediglich um 20 Millionen auf 50 Millionen Franken aufgestockt werden. Da die Verlage in diesem Jahr von einem Ertragsausfall von 400 Millionen Franken ausgeht und Experten nicht davon ausgehen, dass mit dem Ende der Coronakrise die Werbekrise verbunden sein wird, werden die versprochenen zusätzlichen 20 Millionen Franken kaum Wirkung zeigen.
Beispiel 2: Obwohl der Bundesrat der SRG kürzlich die Mittel um 50 Millionen Franken aufgestockt hat, sind für die privaten Radio- und TV-Stationen keine wiederkehrenden Zusatzmittel angedacht. Dies wird die SVP auf den Plan rufen, die schon die 30 Millionen Franken im Nothilfepaket mit dem Argument begründete, es brauche gleich lange Spiessen mit der SRG.
Als zusätzliche Massnahme plant Sommaruga dafür, die Onlinemedien mit jährlich 30 Millionen Franken zu unterstützen, zumindest für die kommenden zehn Jahre. Das Gerangel um diese Gelder hat noch gar nicht erst begonnen.