Novartis-Präsident Daniel Vasella lässt sich fürs Nichtstun fürstlich bezahlen. Er kassiert 72 Millionen Franken und verleiht der Abzockerinitiative damit Schub.
Etwas Besseres hätte Thomas Minder gar nicht passieren können. Kurz bevor seine Initiative «gegen die Abzockerei» am 3. März zur Abstimmung gelangt, ist gestern bekannt geworden, wie sich Daniel Vasella seinen Abgang bei Novartis vergolden lässt. Das Newsportal «Inside Paradeplatz» berichtete, dass er 72 Millionen Franken kassiere. In der «Tagesschau» von SRF bestätigte gestern Abend der abtretende Verwaltungsratspräsident die millionenschwere Entschädigung.
Er erhalte sechs Jahre lang maximal 12 Millionen Franken pro Jahr, sagte Vasella. Insgesamt sind das 72 Millionen Franken. Er betonte, er werde den «Nettobetrag» für gemeinnützige Zwecke einsetzen. Das Konkurrenzverbot ist bereits 2010 vereinbart worden. Gemäss «Inside Paradeplatz» hinterlegte Novartis die Millionensumme bei der St. Galler Privatbank Wegelin. Der Zürcher Staranwalt Peter Nobel, der mit Wegelin-Chef Konrad Hummler freundschaftlich verbunden ist, soll das Geheimkonto eingefädelt haben.
«Der Fall ist in diesem Ausmass einmalig», sagt Gregor Greber vom Zuger Vermögensverwalter zCapital. Ein Konkurrenzverbot sei insbesondere für einen Verwaltungsrat unüblich. Schon vorgekommen ist es, dass sich Manager durch lange Arbeitsverträge absicherten. Adecco-Chef Dieter Scheiff trat seine Stelle 2006 mit einem Fünfjahresvertrag in der Tasche an. Als er 2009 freigestellt wurde, erhielt er eine Abfindung von 4,1 Millionen Franken.
Der Luzerner Stahlkonzern Schmolz + Bickenbach musste CEO Benedikt Niemeyer und Finanzchef Axel Euchner im Herbst 2012 mit 5,2 Millionen Euro abfinden. Beide hatten eine Kündigungsfrist von 24 Monaten. «Inzwischen werden nur noch selten vertragliche Verpflichtungen mit mehr als 12 Monaten vereinbart», sagt Greber. Dies sei auch dem Druck der Aktionäre zu verdanken. «Die Manager sprechen stets von marktgerechten Löhnen, dann sollten sie sich auch nicht mit langen Arbeitsverträgen vor den Eigentümern schützen müssen.»
Gemäss der Zeitschrift «Bilanz» hat Vasella in seiner Zeit bei Novartis insgesamt fast 400 Millionen Franken verdient. Allein für sein letztes Amtsjahr erhielt er eine Entschädigung von 13,1 Millionen Franken.
Dass er sich nun fürs Nichtstun fürstlich bezahlen lässt, bezeichnet das Komitee der Abzockerinitiative als «Dekadenz pur». «Dass wir nun, fünf Minuten vor Torschluss, noch mit diesem Abzockerfall der Extraklasse Sukkurs erhalten, müsste uns fast freuen», stellt Claudio Kuster fest. Doch er sei höchst schockiert, dass Vasella nicht genug kriege. Das Volksbegehren setze solchen Extrazahlungen ein Ende. «Vasella hat offenbar viel Zeit dafür aufgewendet, seine Bezüge zu sichern», ärgert sich SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (Baselland). Nun gelte es, ein klares Zeichen zu setzen. Und Bundesrätin Simonetta Sommaruga erklärte gegenüber der «Tagesschau», die Grössenordnung der Entschädigung mache sie «sprachlos». Die Justizministerin warnte, es brodle schon jetzt in der Bevölkerung. Gegenüber der «Tagesschau» erklärten mehrere Politiker, die Aufdeckung der 72-Millionen-Abfindung sei ein herber Rückschlag für die Gegner der Abzockerinitiative. Gut möglich, dass Vasella das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Tatsächlich verbietet die Abzockerinitiative goldene Fallschirme und «sonstige Entschädigungen» explizit. Ob darunter auch ein vertraglich zugesichertes Konkurrenzverbot fallen würde, ist indes fraglich. «Die Initiative gaukelt etwas vor, das sie nicht hält», sagt Ständerat Roland Eberle (SVP, Thurgau). Solche Exzesse liessen sich leider nicht verhindern. «Man kann Charakter und Ethik nicht verordnen.» Auch zCapital-CEO Greber befürchtet, «dass kaum ein Gesetz alle Schlupflöcher stopfen kann».
Peter Schilliger (FDP, Luzern) findet Vasellas Verhalten völlig unverständlich. «Wenn man so lange in einem Weltkonzern tätig ist, sollte es selbstverständlich sein, dass man sein Wissen danach nicht der Konkurrenz zur Verfügung stellt.» Die Abzockerinitiative könne dem allerdings nichts entgegensetzen, findet Schilliger. Klare Leitlinien liessen sich jedoch mit einem Vergütungsreglement, wie es der indirekte Gegenvorschlag vorsehe, verabschieden.
BDP-Präsident Martin Landolt aus Glarus betont, dass ein Reglement zusätzlich Transparenz schaffen würde. Er verurteilt Vasellas Selbstbedienungsmentalität aufs Schärfste. «Ich ärgere mich wahrscheinlich mehr darüber als Herr Minder.» Die Empörung der Bevölkerung sei gross und erschwere es, auf der sachlichen Ebene zu argumentieren. Dennoch gelte es, genau abzuwägen, was schneller und effizienter wirke. «Bei Schlaumeiereien stossen aber alle Regulierungen an Grenzen», sagt Landolt.
Das Initiativkomitee hat die unfreiwillige Unterstützung aus der Wirtschaft kommen sehen. Es frohlockte bereits im letzten Oktober, als der Bundesrat den Abstimmungstermin festlegte. Die Aussicht, mit seinem Anliegen kurz nach den Generalversammlungen vors Volk zu gelangen, schien ihm viel versprechend.
Über erste Überläufer können sich die Initianten bereits freuen. So kündigte beispielsweise der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer auf Radio 1 an, dass er ins Lager der Befürworter wechsle. Als Grund nannte er die Abgangsentschädigung sowie die Gegenkampagne der Economiesuisse, mit der er sich nicht mehr identifizieren könne.