Knapp ein Jahr nach dem riesigen Bergsturz bei Bondo im südbündnerischen Bergell haben die Behörden in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin der Opfer gedacht. Derweil bereitet sich das Tal auf einen erneuten Bergsturz vor.
Die acht Opfer des grossen Bergsturzes vom 23. August letzten Jahres werden immer noch vermisst. Eine Nachsuche im Juli dieses Jahres im Seitental Bondasca blieb erfolglos, wie die Bergeller Gemeindepräsidentin Anna Giacometti am Montag in Stampa erklärte. Vertreter der Gemeinde, des Kantons Graubünden und des Bundes hielten in Bondos Nachbarort vor den Medien Rückschau auf das Grossereignis.
Die Suche nach den acht Vermissten sei nun definitiv eingestellt worden, sagte Giacometti. Der Tod von acht Menschen erfülle die Gemeinde weiterhin mit Trauer. Da nach dem Bergsturz und den verheerenden Murgängen weiterhin Gefahr für Bondo bestand, habe man kaum Zeit gehabt, innezuhalten und alles zu verarbeiten.
Wenn am Grossereignis aber etwas positiv sei, so die Erkenntnis, dass es in dieser Gemeinde, diesem Kanton und diesem Land mit Solidarität möglich sei, Lösungen für fast alles zu finden, erklärte Giacometti.
Gemeinde vorbereitet auf weitere Bergstürze
"Der Piz Cengalo kommt nicht zur Ruhe. Die Gemeinde hat sich vorbereitet", sagte die Gemeindepräsidentin weiter. Ein grösseres provisorisches Auffangbecken für Geröll sei erstellt, ein Konzept für ein definitives Becken habe man dem Bund vorgelegt.
Die Einsatzkräfte der Gemeinde und des Kantons wurden bei der Bewältigung des Bergsturzes und der Vorbereitung auf weitere Ereignisse von der Armee und dem Zivilschutz unterstützt, wie der Bündner Regierungsrat Christian Rathgeb erklärte.
"Die Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte habe sehr gut funktioniert", sagte der Justiz- und Sicherheitsdirektor. Er dankte Bundesrat Guy Parmelin für das grosse Interesse an der Situation vor Ort auch in in der Zeit nach dem Unglück.
"Ganz andere Bilder als vor einem Jahr"
Er habe nun ganz andere Bilder gesehen als bei seinem Besuch nach dem Bergsturz im letzten Jahr, sagte Bundesrat Parmelin. Das Ausmass der Zerstörung sei damals enorm gewesen und alles voller Steine. Jetzt sei die Strasse frei, Brücken stünden und das provisorische Becken sei erstellt.
"Die Einsatzkräfte von Gemeinde, Kanton und Bund haben das Ereignis erfolgreich bewältigt", bilanzierte der Verteidigungsminister: "Unser Milizsystem hat sich einmal mehr bewährt." Die Leistungen des Bundes beliefen sich laut Parmelin auf zwölf Millionen Franken.
Mit der Bewältigung des Bergsturzes dürfte in Bondo und im Bergell dennoch keine Ruhe einkehren. "Seit diesem Juli gibt es wieder stärkere Bewegungen am Piz Cengalo", sagte Martin Keiser vom Bündner Amt für Wald und Naturgefahren.
Grössere Bergstürze zu erwarten
In Bewegung seien drei Millionen Kubikmeter, fast so viel wie letztes Jahr, sagte Keiser. "Grössere Bergstürze können diesen Sommer nicht ausgeschlossen werden und in den nächsten Jahren ohnehin nicht", erklärte der Fachmann.
Die Schutzbauten seien darauf dimensioniert. "Sie reichen für den ersten Moment bestimmt", sagte Keiser. Danach könnten erneute Evakuierungen nicht ausgeschlossen werden. Das sei das Restrisiko: "Eine Nullrisikostrategie ist nicht möglich".
Die Bevölkerung des Bergells versucht derweil, sich an die Gefahr zu gewöhnen. "So lange gutes Wetter herrscht, geht es", erklärte Gemeindepräsidentin Giacometti. "Die Sorgen kommen, wenn es gewittert." Es gehe allen im Bergell so, nicht nur den Menschen in Bondo. Im Val Bondasca blieben sämtliche Wanderwege gesperrt.
"Wenn der Berg das nächste Mal kommt, hoffe ich, dass es nicht so schlimm wie das letzte Mal wird", drückte Bundesrat Parmelin die Gefühle vieler Anwesender aus.
Die Bevölkerung in Bondo war am 23. August letzten Jahres um 09.30 Uhr vom grossen Bergsturz am Piz Cengalo überrascht worden. 3,1 Millionen Kubikmeter Fels stürzten von der Nordostflanke ins Seitental Bondasca. Der Murgang danach drückte Material bis ins Haupttal Bergell nach Bondo, wo Häuser beschädigt wurden. Menschen im Ort wurden nicht verletzt.