Der Bund will den Schwund der Biodiversität stoppen. Die Kosten der nötigen Massnahmen sollen mit den Kantonen geteilt werden. Doch diese legen sich quer.
Es war eine Botschaft, die aufrütteln sollte: Im Frühling legten Schweizer Wissenschaftler dar, wie es um die Biodiversität des Landes bestellt ist. Die Aussagen waren von einer erstaunlichen Deutlichkeit. Der Rückgang der Biodiversität in den vergangenen Jahrzehnten sei Besorgnis erregend. Von «monotonen und stillen» Landwirtschaftsgebieten war die Rede, von zerstörten Auen und ausgetrockneten Mooren. Die bisher ergriffenen Massnahmen reichten nicht aus, um den Verlust von Lebensräumen zu stoppen.
Vor diesem Hintergrund setzten die Wissenschaftler grosse Hoffnungen in einen Aktionsplan des Bundes, mit dem der Rückgang der biologischen Vielfalt gestoppt werden soll. Der Plan enthält zahlreiche Massnahmen, die vielfach auch die Kantone betreffen. Diese konnten sich bis vergangene Woche dazu äussern. Angesichts der Alarmstimmung erstaunt es nicht, dass in den Stellungnahmen der Kantone von einer «grundsätzlichen Unterstützung» zu lesen ist.
Doch die Zustimmung hört dort auf, wo es ums Geld geht. Der Plan des Bundes sieht nämlich vor, dass die Kosten der Massnahmen zur Hälfte von den Kantonen geschultert werden. Konkret müssten diese zwischen 2017 und 2020 jährlich rund 110 Millionen Franken zusätzlich für die Biodiversität aufwenden, danach wären es über 200 Millionen. Die Konsultation sollte aufzeigen, wie ausgeprägt die Zahlungsbereitschaft der Kantone ist. Die Antworten fallen durchweg negativ aus. Man habe in den vergangenen Jahren auf kantonaler Ebene viel gemacht für den Naturschutz und sei dabei vom Bund nur ungenügend unterstützt worden, so der Tenor. Häufig wird zudem auf die angespannte Finanzlage verwiesen.
Für Rainer Kistler, Leiter des Zuger Amtes für Umweltschutz, der die Konferenz der Vorsteher der kantonalen Umweltschutzämter präsidiert, liegt das Problem insbesondere im Zeithorizont. «Die Finanzplanung der Kantone lässt es nicht zu, über Jahre hinaus zusätzliche Mittel zuzusichern.» Bei den kantonalen Budgets haben die Kantonsparlamente beziehungsweise das Volk das letzte Wort, was die Planung erschwert.
Kistler übt aber auch grundsätzliche Kritik am Aktionsplan: «Es ist nicht nachvollziehbar, wie die aufgelisteten Kosten zu Stande kommen.» Ausserdem sei der Plan mit seinen 54 Massnahmen überladen. «Man muss Schwerpunkte setzen und die Liste kürzen», sagt Kistler.
Auf Unverständnis bei den Kantonen stösst zudem, dass der Bund das Zustandekommen des Aktionsplans von einer Beteiligung der Kantone abhängig macht. Der Kanton Zug spielt den Ball nun an den Bund zurück: Dieser solle sich auf jeden Fall verstärkt für die Biodiversität einsetzen – «selbst wenn die Kantone keine oder nur beschränkte zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen können».
Das zuständige Bundesamt für Umwelt (Bafu) beharrt hingegen auf der Kostenaufteilung: Die Finanzierung des Aktionsplans müsse von Bund und Kantonen gemeinsam angegangen werden, heisst es auf Anfrage. Trotz der offenkundigen Zurückhaltung der Kantone hält das Bafu zudem fest: «Aus heutiger Sicht ist der Zeitplan nicht in Gefahr.»
Sollten sich allerdings Verzögerungen ergeben, wäre dies kein Novum. 2008 stellte der Bundesrat noch eine Botschaft bis 2011 in Aussicht. In seiner «Strategie Biodiversität Schweiz» war dann die Rede von einem Aktionsplan bis im Sommer 2014. Inzwischen peilt das Umweltdepartement eine Vernehmlassungsvorlage mit den nötigen Gesetzesanpassungen bis im Frühjahr 2016 an.
Das Bafu verfolgte bei der Ausarbeitung des Aktionsplans einen partizipativen Ansatz. Mehr als 250 Organisationen liessen ihre Vorstellungen einfliessen, darunter der Gewerbeverband, die Bauern und Umweltverbände. «Dieses Vorgehen war richtig», sagt der Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutzes, Werner Müller. Doch jetzt müssten sich Bund und Kantone zusammenraufen. «Angesichts des kritischen Zustands der Biodiversität müssen die Massnahmen ab 2017 dringend umgesetzt werden.»
Tobias Bär