92 Prozent der Aludosen in der Schweiz werden recycelt, sagt der Bund. Neue Zahlen lassen aber Zweifel aufkommen.
Aluminium erobert die Schweiz: 2012 brachten allein die verkauften Getränkedosen 9795 Tonnen auf die Waage, viermal mehr als vor zehn Jahren. Beim Bier machen Dosen heute 33 Prozent aller Verpackungsmaterialien aus, bei Energydrinks dürften es nahezu 100 Prozent sein. Zum Vergleich: Im Biertrinkerland Deutschland werden nur noch 3,6 Prozent des Gerstensafts in Aludosen verkauft.
Trotzdem gilt die Schweiz als vorbildlich. Glaubt man dem Bund, werden nämlich 92 Prozent der Dosen hierzulande recycelt. Alois Gmür glaubt das allerdings nicht. Der Schwyzer CVP-Nationalrat und Bierbrauer vermutet, dass die Recyclingquote deutlich tiefer liegt: «Obwohl es für Aludosen viel weniger Sammelstellen gibt als für PET-Flaschen, liegt ihre Verwertungsquote um 10 Prozent höher. Da wird geschummelt», ist er überzeugt.
Gmürs Skepsis scheint begründet zu sein. Zwar beteuert das Bundesamt für Umwelt (Bafu) seit Jahren, dass die Verwertungsquote verlässlich sei. Doch nun liegen Zahlen vor, die Zweifel daran nähren. Ein Ergebnis der kürzlich publizierten Kehrichterhebung lautet: Stolze 1500 bis 3000 Tonnen Aludosen hätten wiederverwendet werden können, sind aber im Hausmüll gelandet. Addiert man die konservative Hochrechnung von 1500 Tonnen zu den im Jahr 2012 tatsächlich rezyklierten 9050 Tonnen, kommt man auf 10550 Tonnen Aludosen. Das ist mehr als gemäss Statistik überhaupt verkauft wurden.
«Eine Frechheit», kommentiert Gmür diesen Widerspruch. «Das zeigt, dass man sich auf die Verwertungsquote nicht verlassen kann.» Im Verdacht für die «Schummelei» hat er den Schweizerischen Verein für umweltgerechte Getränkeverpackungen (SVUG), der im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt die Daten für die Verwertungsquote sammelt, und die Recyclingorganisationen, hinter denen wiederum Dosenhersteller und -verkäufer stehen. Diese hätten ein Interesse an hohen Quoten: Fällt die Recyclingquote unter 75 Prozent, kann der Bund ein Pflichtpfand einführen. Und das fürchtet die Branche wie der Teufel das Weihwasser – es wäre nämlich teuer.
Gmür, unter anderem Präsident des Verbands der Schweizerischer Getränke-Grossisten, weibelt seit Jahren gegen Einwegflaschen und Aludosen. So forderte sein erster Vorstoss als neuer Nationalrat im Jahr 2012 eine Umstellung auf das Pfandsystem. Doch die parlamentarische Initiative wurde, wie ähnliche Vorstösse zuvor, deutlich abgelehnt.
Aufgrund der neuen Erkenntnisse will Gmür nun Antworten vom Bundesrat. «Es ist höchste Zeit, dass der Bund sich ernsthaft mit dem Thema befasst und das Problem nicht weiterhin verwedelt.» Er hat bereits einen Vorstoss eingereicht. In diesem will er wissen, ob die Erhebungen durch eine neutrale, unabhängige Stelle kontrolliert werden.
Das Bafu will sich derzeit nicht dazu äussern. Die Antwort auf den Vorstoss obliege dem Gesamtbundesrat. Zu den widersprüchlichen Zahlen in Verwertungsstatistik und Kehricht-Studie sagt Sprecherin Rebekka Reichlin: «Es stimmt, dass die Zahlen voneinander abweichen.» Aber man könne sie nicht direkt vergleichen, weil die einen auf dauernd gemessenen Werten basierten, die anderen auf Stichproben. «Da kann ein Ereignis wie beispielsweise der Abfall eines grösseren Fests das Bild verzerren.» Für das Bafu sei daher nur die Verwertungsquote aussagekräftig.