AMBULANTE MEDIZIN: Finaler Anlauf für einen neuen Ärztetarif

Die Verbindung Schweizer Ärzte steht kurz vor dem Konsens über die Tarifstruktur. Bevor das Werk an den Bundesrat geht, braucht es aber die Einigung mit den Krankenversicherern.

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Mit der Änderung des Ärztetarifs TARMED bekommen Spezialisten weniger Geld. Die Hausärzte hingegen profitieren. (Symbolbild) (Bild: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER)

Mit der Änderung des Ärztetarifs TARMED bekommen Spezialisten weniger Geld. Die Hausärzte hingegen profitieren. (Symbolbild) (Bild: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER)

Wenn es um den vom Bundesrat auf Anfang Jahr unter Aufjaulen der Betroffenen verordneten Ärztetarif (Tarmed) geht, findet Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvorstands der Verbindung Schweizer Ärzte (FMH), deutliche Worte: «Es braucht einen Ausweg aus dem Amtstarif. Und es gibt nur ­einen einzigen.» Was Stoffel damit meint: Das von der FMH lancierte Projekt Tarmed Consensus (Tarco) soll verhindern, dass Gesundheitsminister Alain Berset abermals in die Tarife eingreift, weil sich die Verhandlungspartner – Ärzte, Spitäler und Versicherer – nicht auf eine gemeinsame Lösung verständigen können.

Die FMH spricht aus leid­voller eigener Erfahrung. Mitte 2016 stürzten die Ärzte den Vorschlag für einen neuen Tarif und schickten den Zentralvorstand in eine neue Revisionsrunde. Vorläufiges Ergebnis: «Der Aufbau der Tarifstruktur sowie die Definitionen und Beschreibungen der Leistungen sind nahezu abgeschlossen», sagt FMH-Vorstandsmitglied Stoffel. Eine Herkulesarbeit, wenn man sich vorstellt, dass der gültige Ärztetarif nicht weniger als 4500 Positionen umfasst und es künftig noch deren 2700 sein sollen. «Damit wird der Komplexität der verschiedenen medizinischen Leistungen einerseits weiterhin Rechnung getragen, andererseits wird die Transparenz erhöht und die Komplexität reduziert», betont Stoffel. Zur ­Illustration: 97 Prozent der durch den Ärztetarif generierten Kosten sind auf bloss 200 Tarifpositionen zurückzuführen.

Dass es gelungen ist, die FMH und ihre Fachgesellschaften auf eine gemeinsame Linie zu bringen, wertet Zentralvorstands-Mitglied Stoffel als Erfolg: «Wir sind auf Kurs», sagt er, wohlwissend, dass die Nagelprobe für Tarco noch aussteht. Konkret geht es um die Verhandlungen mit den Tarifpartnern. Diese haben in ausgewählten Bereichen bereits begonnen – richtig los geht es aber in diesem Monat. Eine zentrale Rolle spielt dabei die vor Jahresfrist gegründete Firma ­ATS-TMS AG, welche die ambulanten medizinischen Leistungen in Taxpunkten abbildet. Die Taxpunktwerte hingegen, welche die Höhe der Vergütung bestimmen, werden weiterhin in jedem einzelnen Kanton zwischen den Tarif­partnern verhandelt.

Einreichung an Bundesrat soll bis Mitte Jahr erfolgen

Der Zeitplan für den neuen Tarif ist ambitiös: Bis Ende März sollen die Tarco-Prüfungen abgeschlossen sein. In der Folge werden die Entscheidungsgremien von Ärzten, Spitälern und Versicherern zu befinden haben. Die Einreichung der neuen Tarifstruktur an den Bundesrat ist vor diesem Hintergrund bis Mitte Jahr geplant. Im besten Fall könnte die Inkraftsetzung auf Anfang 2019 erfolgen.

Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg. Vor allem die Haltung der Krankenversicherer wird mit Interesse zu verfolgen sein. Begrüsste Curafutura (CSS, Helsana, Sanitas, KPT) den Tarifeingriff des Bundesrats ausdrücklich, zeigte sich Santésuisse skeptisch. Und wenn es um Tarco geht? «Wir erwarten, dass eine taugliche, revisionsfähige Tarifstruktur aus den Arbeiten hervorgeht», sagt Curafutura-Kommunikationschef Ralph Kreuzer vorläufig noch etwas unbestimmt. Dezidierter äussert sich Santé­suisse-Direktorin Verena Nold: «Es darf erstens für die Prämienzahler nicht mehr kosten als ­heute. Zweitens müssen die Berechnungsgrundlagen des neuen Ärzte­tarifs offengelegt werden und überprüfbar sein.»

Was zu beweisen war: Wenn es einen Ausweg aus dem «Amtstarif» geben soll, braucht es nicht nur einen Konsens über die neue Struktur des Tarifs – sondern vor allem auch um seinen Preis.

Balz Bruder