ANDERMATT: «Ein anderer hätte längst kapituliert»

Der Anfang ist gemacht. Vor einem Jahr nahm das Prunkstück des neuen Resorts in Andermatt, das Hotel Chedi, seinen Betrieb auf. Am Ziel wähnt sich Samih Sawiris deswegen nicht.

Interview Dominik Buholzer
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Samih Sawiris: «Ich habe das Gefühl, dass ich mir den Erfolg erkauft habe.» (Bild Nadia Schärli)

Samih Sawiris: «Ich habe das Gefühl, dass ich mir den Erfolg erkauft habe.» (Bild Nadia Schärli)

Interview Dominik Buholzer

Sie haben in einem verschlafenen Urner Feriendorf eines der weltweit angesagtesten Hotels gebaut und vor einem Jahr eröffnet. Sind Sie stolz darauf?

Samih Sawiris: Natürlich bin ich das. Es zeigt im Übrigen auch, dass ich es mit meinen Plänen ernst meine. Aber ich muss Ihnen in einem Punkt widersprechen.

In welchem?

Sawiris: Als ich hier anfing, war Andermatt weniger ein Ferienort als vielmehr ein alpines Dorf, bei dem die Armee die ökonomische Entwicklung bestimmte. Wäre es bereits ein weltbekannter Ferienort gewesen, hätte ich kaum den Mut gehabt, ein solches Projekt hier zu realisieren. Es ist einfacher, etwas aufzubauen als umzubauen.

Schauen wir auf Ihr Werk. Sind Sie damit zufrieden?

Sawiris: Was wir fertiggestellt haben, kann man kaum besser machen. Aber es fehlt noch sehr viel für eine Fünf-Sterne-Destination.

Aber das Fundament ist schon mal gelegt.

Sawiris: Es fehlen noch ziemlich viele Bauteile, damit die Fünf-Sterne-Destination Andermatt erfolgreich funktioniert. Die Pisten und Anlagen müssen ausgebaut und modernisiert werden, es braucht neue Restaurants bei den Skipisten, beim Golfplatz fehlt das Clubhaus, und dann steht noch immer nicht die Schwimmhalle, die ich den Einheimischen versprochen habe. Das haben wir aber alles an die Hand genommen. Ich will der Bevölkerung nicht Versprechen machen und dann nicht einhalten. Ich fühle mich ihr verpflichtet. Die lokale Bevölkerung ist der wichtigste Partner für mich.

Die Auslastung des «Chedi» in Andermatt liegt im ersten Jahr bei 50 Prozent. Da ist noch Luft nach oben vorhanden ...

Sawiris: Vergessen Sie nicht: Bis ein so bedeutendes Hotel die volle Auslastung erreicht hat, braucht es seine Zeit. Aber wenn ich uns mit anderen Hotels vergleiche, können wir auf unsere Zahlen im ersten Betriebsjahr stolz sein. Kurz vor dem Start lagen die Buchungen noch bei rund 5 Prozent. Das war mir schon fast peinlich. Zum Glück verzögerte sich die Eröffnung ein wenig. Kaum eröffnet, lagen wir dann bald bei 50 Prozent – und dies nur aufgrund von Mundpropaganda und der hervorragenden Bewertungen durch die Medien.

Spürten Sie Skepsis gegenüber dem «Chedi»?

Sawiris: Skepsis ist hierzulande stark verbreitet. Die Schweizer sind sehr vorsichtige Menschen. Dafür habe ich viel Verständnis. Bei den Ausländern punktet die Schweiz mit ihrer Sicherheit. All das stimmt mich für die Zukunft zuversichtlich. Andermatt wird in den nächsten Jahren noch einen riesigen Schub machen.

Wie präsentiert sich die Auslastung für die aktuelle Wintersaison?

Sawiris: Wir liegen bei 50 bis 60 Prozent. Eine Umfrage bei Gästen ergab zudem, dass alle das «Chedi» weiterempfehlen würden. Das müssen Sie sich mal vor Augen halten! Welches Unternehmen kommt auf einen so hohen Wert?

Vor wenigen Wochen konnten Sie den Bau des zweiten Hotelkomplexes verkünden. Gleichzeitig startete der Verkauf von 96 Residenzen. Wie gross ist das Echo?

Sawiris: Wir beginnen mit dem Bau, weil wir über genügend Reservierungen verfügen. Und die Risiken werden immer geringer: Wir haben Klarheit bei der Zweitwohnungsinitiative, wir haben mit Orascom bewiesen, dass wir auch finanziell schwierige Zeiten erfolgreich meistern können, usw.

Hat es Sie geschmerzt, dass Ihnen und Ihrem Projekt eine Zeit lang viel Skepsis entgegengebracht wurde?

Sawiris: Ich bin es gewohnt, dass ich mit meinen Projekten nie gleich Lob ernte. Ich muss mir die Anerkennung immer erarbeiten. Als ich nach meinem Studium begann, aus Fiberglas Boote zu bauen und dazu in der Wüste einen Betrieb aufbaute, schüttelten viele den Kopf. Genau gleich war es, als ich am Roten Meer das Ferienresort El Gouna startete. Ich mag in den Augen von einigen vielleicht ein spezieller Typ sein. Aber ich habe immer bewiesen, dass ich es ernst meine und meine Sachen durchziehe.

Bislang haben Sie 457 Millionen Franken in Andermatt investiert. Gab es mal einen Zeitpunkt, an dem Sie befürchteten, Sie würden das Geld in den Sand setzen?

Sawiris: Nein, aber ich habe das Gefühl, dass ich mir den Erfolg erkauft habe. Ich musste mehr Eigenkapital in das Projekt stecken, als ich beabsichtigt hatte. Das wurmt mich schon etwas. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ein anderer hätte an meiner Stelle wohl schon längst kapituliert. Ich nicht, ich bin sehr hartnäckig.

Bei einer Informationsveranstaltung für die Bevölkerung von Andermatt haben Sie gesagt, der Gewinn sei nicht alles. Was bedeutet Ihnen Andermatt?

Sawiris: Ich will mit dem Projekt in Andermatt Erfolg haben. Und wir werden Erfolg haben. Alles andere würde mich schmerzen. Wie hoch der Gewinn im Moment ausfällt, ist für mich zweitrangig. Ich muss ja nicht noch mehr Geld verdienen. Ich denke langfristig. Also: Ob ich heute 5 oder 10 Prozent Gewinn schreibe, ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, dass wir hier ein Projekt realisieren, das nachhaltig erfolgreich ist.

Seit einem Dreivierteljahr laufen Gespräche mit den Verantwortlichen der Schweizer Jugendherbergen für eine Jugi in Andermatt. Wie präsentiert sich der Stand der Dinge?

Sawiris: Ich warte auf deren Rückmeldung. Sie müssen mir sagen, ob und unter welchen Bedingungen sich für sie ein Engagement in Andermatt rechnet und wie wir ihnen dabei behilflich sein können.

Man hört, Sie könnten sich vorstellen, selber einzusteigen und damit dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Stimmt das?

Sawiris: Ein privates finanzielles Engagement ist für mich kein Thema. Ich habe keine Ahnung in diesem Bereich, und ich habe auch niemanden im Team, der es hätte. Ich bin bereit, den Jugendherbergen beim Landkauf entgegenzukommen.

Braucht denn Andermatt wirklich eine Jugendherberge?

Sawiris: Auf jeden Fall. Wir wollen eine Destination für alle sein. Selbst die Reichen wollen das. Ihnen wird es langweilig, wenn sie nur immer unter ihresgleichen sind.

Das Projekt in Andermatt läuft. Was kommt als Nächstes?

Sawiris: Bevor wir uns an neue Projekte heranwagen, steht der Abschluss der Sanierung der Orascom Development Holding AG im Vordergrund. Momentan sind wir immer noch damit beschäftigt, unsere Schulden abzubauen. Vor der Wirtschaftskrise und dem Arabischen Frühling verfügten wir über Eigenmittel von 150 Millionen Franken. Nur weil wir bei unseren Investitionen immer sehr konservativ sind, gibt es uns heute noch und schreiben wir wieder schwarze Zahlen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr resultierte ein Gewinn von 50 Millionen Franken. In ein paar Jahren sollten wir die Sanierung abgeschlossen haben und auf soliden Beinen stehen. Dies ist auch nötig. Um Projekte wie dieses hier in Andermatt zu lancieren, müssen Sie bereit sein, mindestens 200 Millionen zu investieren.

Im Frühjahr mussten Sie den Abgang des CEO von Orascom hinnehmen. Seither haben Sie interimistisch das Zepter in der Hand. Wie läuft es mit der Nachfolgeplanung?

Sawiris: Wir sind auf der Suche nach dem Richtigen. Wir haben in der Zwischenzeit neue CEOs in all den Ländern, in denen wir tätig sind, eingesetzt. Sie sind nicht mehr einfach Assistenten des CEO wie vorher, sondern für ihr Land zuständig. Dies hat sich bislang sehr bewährt.

Haben Sie in der Zwischenzeit Gefallen am Job des CEO gefunden?

Sawiris: Oh nein, absolut nicht. Ich werde dies nicht länger als nötig machen.

Im März dieses Jahres sind Sie als Privatperson bei FTI, dem viertgrössten deutschen Reiseanbieter, eingestiegen. Damals hiess es, mit 25 bis 35 Prozent. Wie viele sind es heute?

Sawiris: Wir stehen heute bei 30 Prozent.

Hat sich das Engagement bereits ausbezahlt?

Sawiris: Auf jeden Fall. Die Auslastung unserer Hotels ist ein Beweis dafür.

Zum Schluss noch ein ganz anderes Thema: Sie haben am Samstag vor einer Woche live mitverfolgen können, wie der FC Luzern, bei deren Holding Sie sich beteiligen, nicht aus der Krise kommt und gegen Basel verloren hat. Was sagen Sie zur Krise beim Innerschweizer Aushängeschild?

Sawiris: Haben Sie gesehen, wie Basel Liverpool in der Champions League in die Enge getrieben hat? Das ist ein Spitzenklub. Es ist keine Schande, gegen solche Mannschaften zu verlieren. Markus Babbel, der Trainer, braucht jetzt Rückendeckung. Das Team ist nicht so schlecht, wie es der Tabellenrang vermuten lassen würde. Aber ich glaube, man hat in den vergangenen Wochen gemerkt, dass der Sportchef sich seiner Sache nicht sicher war. Dies wirkte sich auch auf das Spiel der Mannschaft aus.