Die Verzögerung der Armeereform hat Folgen für den Armeechef: Weil er keinen «Plan B» hat, gerät André Blattmann unter Druck. Nun wird über seinen vorzeitigen Abgang gemunkelt.
Der Haussegen an der Armeespitze hängt schief, seit der Nationalrat die Armeereform mit dem sperrigen Namen «Weiterentwicklung der Armee» (WEA) in der Sommersession versenkt hat. Denn für diesen Fall hat Armeechef André Blattmann, der Architekt der Reform, schlicht keine Vorkehrungen getroffen. Nun hat Bundesrat Ueli Maurer den Start der Reform um ein Jahr auf Anfang 2018 verschoben – und seinen Armeechef damit in den Senkel gestellt.
Insider berichten aber nicht nur von einem zunehmend frostigen Verhältnis zwischen dem Verteidigungsminister und seinem Armeechef. Auch die Beziehungen zu den Kommandanten der beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe seien auf einen Tiefpunkt gesunken, heisst es.
Das hängt nicht nur damit zusammen, dass die Reform deren Entmachtung vorsieht. Sondern auch mit dem Umstand, dass Blattmann nicht gerade als Freund der Luftwaffe gilt, was deren Kommandant Aldo C. Schellenberg immer wieder zu spüren bekommt. Den Kommandanten des Heeres wiederum, Dominique Andrey, stiess der Armeechef mit personellen Entscheiden vor den Kopf: Noch bevor die WEA in den Nationalrat kam, ernannte Blattmann den bisherigen Chef der Logistikbasis, Divisionär Daniel Baumgartner, zum künftigen Ausbildungschef im Sinn der Reform – und brachte ihn damit in Pole-Position für einen dritten Stern. «Da werden schon Sterne verteilt, bevor das Geschäft politisch über die Bühne geht», wurde prompt kritisiert.
Das Schicksal von Blattmanns Prestigeprojekt hängt aber nicht nur vom Parlament ab. Sondern auch vom Ausgang der nächsten Sparrunde, die der Bundesrat letzte Woche angekündigt hat. «Wenn wir langfristig nicht fünf Milliarden bekommen, müssen wir die Armee neu konzipieren», warnte Maurer daraufhin in der «Zentralschweiz am Sonntag». Doch selbst wenn die Reform Anfang 2018 starten kann, was nur möglich ist, wenn kein Referendum ergriffen wird, bezweifeln Beobachter zunehmend, dass dies noch unter der Führung von Blattmann geschehen kann. Sie erwarten einen vorzeitigen Abgang des Armeechefs vor seiner Pensionierung Mitte 2018. Dazu kursiert sogar ein spezieller Ausdruck: Analog zum Grexit, dem möglichen Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, macht in Bern das Gerücht von einem «Blexit» die Runde – dem Ausscheiden André Blattmanns aus der Schweizer Armee.
Armeesprecher Walter Frik dementiert zwar allfällige Rücktrittsgelüste seines Chefs. Dennoch wurde diese Woche offensichtlich, dass dieser zurzeit nicht viel zu lachen hat: In einer internen Videobotschaft an die Armeeangehörigen wirkte André Blattmann alles andere als glücklich. Mit starrer Miene verkündete er, die verlangten Sparvarianten würden sofort in Angriff genommen. Und hielt Wort: Vergangenen Donnerstag machte sich die Armeeführung auftragsmässig an die Arbeit. Was daraus resultierte, hat VBS-Chef Ueli Maurer bereits geschildert: Wenn die Mittel der Armee um eine halbe Milliarde auf 4,5 Milliarden Franken pro Jahr gekürzt werden, müsste man «auf gewisse Truppengattungen verzichten – zum Beispiel auf die Panzer, die Artillerie oder die Flieger», kündigte er in Interviews an.
«Es ist zwar schlecht, wenn der Kapitän das sinkende Schiff verlässt», sagt Ida Glanzmann. Doch die Luzerner Christdemokratin würde nach eigenem Bekunden nicht erstaunen, wenn Blattmann unter diesen Umständen den Hut nehmen würde. «Zum jetzigen Zeitpunkt davonzulaufen, wäre nicht geschickt», hält der St. Galler Freisinnige Walter Müller dagegen. Jetzt müsse der Armeechef hin stehen, das Primat der Politik anerkennen, eine neue Lagebeurteilung vornehmen und die Planung wo nötig anpassen.
«Dass Blattmann nicht derjenige sein wird, der die WEA umsetzen kann, liegt auf der Hand», führt der Schwyzer Alex Kuprecht (SVP) ins Feld. Schliesslich dauere das jeweils Jahre. Doch der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Ständerats nennt einen Grund, warum Blattmann zumindest so lange an Bord bleiben sollte, bis die Politik die Reform zu Ende beraten hat: Die SiK werde an ihrer nächsten Sitzung im August prüfen, wie man der Armee für die ersten Jahre nach Einführung der Reform fünf Milliarden Franken pro Jahr sichern könne. «Dazu liegen drei bis vier Vorschläge auf dem Tisch», stellt Kuprecht in Aussicht. Womit zumindest das finanzielle Problem des Armeechefs gelöst wäre.
Eva Novak