Berggebiete erwarten gutes Wintergeschäft

Die Branche kann sich auf eine erfolgreiche Wintersaison freuen. Laut Schweiz Tourismus sind die mageren Jahre aber noch nicht überstanden.

Gabriela Jordan
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Eine von vielen Investitionen in Schweizer Wintersportorten: Die 60 Millionen Franken teure 3S-Seilbahn aufs Klein Matterhorn ist seit Herbst in Betrieb. (Bild: Dominic Steinmann/Keystone, Zermatt, 29. September 2018)

Eine von vielen Investitionen in Schweizer Wintersportorten: Die 60 Millionen Franken teure 3S-Seilbahn aufs Klein Matterhorn ist seit Herbst in Betrieb. (Bild: Dominic Steinmann/Keystone, Zermatt, 29. September 2018)

Ins Skigebiet Andermatt-Sedrun strömen Wintersportler heute nicht bloss zum Skifahren, sondern auch zum Feiern. Ab Mittag wird dort das letzte Puzzlestück der 130 Millionen Franken ­teuren Skigebietsverbindung, die neue Gondelbahn Schneehüenerstock-Express, öffentlich eingeweiht. Die Ski­arena erstreckt sich nun über 120 Pistenkilometer und avanciert dadurch zum grössten Skigebiet der Zentralschweiz. «Ab heute haben wir Hochsaison», freut sich Geschäftsführer Silvio Schmid. «Die positiven Auswirkungen der neuen ­Anlage werden wir sicherlich spüren.»

Die Entwicklung in Andermatt-­Sedrun ist bezeichnend für die ganze Schweizer Wintersportbranche, die durch die starke Konkurrenz der Nachbarländer sowie durch den starken Franken lange Zeit unter Druck war. Viele Gebiete haben in den letzten Jahren in neue Gondelbahnen, Sessellifte oder ÖV-Anschlüsse investiert und so ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Beispielsweise hat Zermatt im November die 3S-Bahn aufs Klein Matterhorn in Betrieb genommen, die 60 Millionen Franken gekostet hat. In Davos flossen 24 Millionen Franken in das seit Dezember offene Parsenn-Resort. Und die Jungfraubahnen haben im Juli mit den Bauarbeiten der V-Bahn in Grindelwald für 470 Millionen Franken begonnen. «Die Berggebiete haben viele magere Jahre hinter sich und waren deshalb ­gezwungen, sich ernste Gedanken über ihre Strategie zu machen», sagt André Aschwanden, Mediensprecher von Schweiz Tourismus. «Dank Investitionen und dem mittlerweile wieder schwächeren Franken sieht es für die Branche jetzt wieder besser aus.»

Langes Warten auf die Nullgradgrenze

In grossem Masse hängt der Erfolg einer Wintersaison natürlich vom Schnee ab. Diesbezüglich können sich momentan zumindest die höher gelegenen Gebiete glücklich schätzen. Nachdem die Temperaturen im Herbst lange hoch geblieben sind, ist der Wintereinbruch vor ein paar Wochen doch noch gekommen und der Saisonstart vielerorts geglückt. So zum Beispiel in Davos: «Wir hatten das Problem, dass wir die Pisten lange nicht beschneien konnten», sagt Mediensprecher Samuel Rosenast. «Als die Temperaturen gefallen sind, haben wir sofort angefangen. Jetzt sind die Schneeverhältnisse sehr gut.» Der Kunstschnee bildet dabei in der Regel die unterste Schicht der Skipiste und stellt sicher, dass der Neuschnee besser hält. Um die Loipe zu präparieren, setzt Davos ausserdem auf Snowfarming. Dabei wird über den Sommer Kunstschnee gelagert und rechtzeitig zum Saisonbeginn verteilt. In Andermatt wird beim Gemsstock ebenfalls Snowfarming eingesetzt.

Auch aus psychologischen Gründen ist eine richtige Winterstimmung wichtig: Ist es im Flachland grün und sonnig, haben die Leute erfahrungsgemäss ­weniger Lust, Skiferien zu buchen, wie André Aschwanden von Schweiz Tourismus sagt. «Im Gegensatz zum letzten Jahr hat es jetzt schon Schnee. Das ist für einen erfolgreichen Saisonstart sicher förderlich.» Ob durch diesen Umstand tatsächlich schon mehr Hotels oder Chalets gebucht worden sind und die Berggebiete in dieser Saison mit einer hohen Auslastung rechnen können, lässt sich nicht genau sagen. Nur ein kleiner Teil der Buchungen läuft über die Tourismusbüros, der Grossteil wird über ­Onlineplattformen oder direkt über die Webseiten der Unterkünfte abgehandelt. Die grösseren Skigebiete in der Deutschschweiz geben sich auf Anfrage unserer Zeitung jedoch zufrieden. Die Skiarena Andermatt-Sedrun zum Beispiel hat im Vergleich zur letztjährigen Saison «deutlich mehr Anfragen» bekommen. Auch in Zermatt sind die Buchungen laut dem Tourismusbüro höher.

Aufschluss über die Auslastung gibt ausserdem die Prognose der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF): Für die aktuelle Wintersaison schätzt sie einen Anstieg der Logiernächte um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Statt 16,5 Millionen wären es somit rund 16,9 Millionen. Diese Zahl gilt für den gesamten Schweizer Tourismus und nicht bloss für die Berggebiete. Die höchsten Zuwächse dürften dabei die Städte verzeichnen. «Die günstige konjunkturelle Lage im Inland und Ausland wird die Nachfrage im Tourismus erhöhen», schreibt die KOF. Die seit Mitte des Jahres eingesetzte Frankenaufwertung dürfte sich jedoch leicht dämpfend auf die Nachfrage aus dem Euroraum auswirken.

Aus Europa kommen noch zu wenig Gäste

Nach dem Rekordsommer mit 22 Millionen Logiernächten sind also auch die Aussichten für die Wintersaison gut. Die KOF spricht sogar von einer Trendwende, die der Schweizer Tourismus nach schwierigen Jahren endlich geschafft hat. Für den Sommer 2019 wird ein Anstieg der Logiernächte um 3,1 Prozent prognostiziert. Steigende Gästezahlen werden aus Asien und Nordamerika erwartet, diejenigen aus dem Euroraum sollten sich weiter erholen. Nicht ganz so optimistisch sieht dies allerdings André Aschwanden: «Die Gästezahlen aus Europa sind zwar nicht mehr rückgängig, sie bewegen sich aber auf einem viel tieferen Niveau als noch vor zehn Jahren.» Enorm wichtig bleibe deshalb der Schweizer Markt – im Winter noch mehr als im Sommer. «Dadurch, dass wir den Winter stark in Asien bewerben, haben wir zwar mehr asiatische Gäste. Diese kommen aber für das Wintererlebnis und nicht zum Skifahren. Gäste aus den klassischen Wintersportländern fehlen uns seit der Eurokrise noch immer.»

Blickt man weiter in die Zukunft, kommen auf die Skigebiete wegen des Klimawandels noch ganz andere Herausforderungen hinzu. Gemäss den Klimaszenarien vom Bund ist in den Alpen um 2060 mit gegen 30 Neuschneetagen ­weniger pro Jahr zu rechnen. Tiefer gelegene Skigebiete haben schon heute mit Schneemangel zu kämpfen oder ihren Betrieb deswegen sogar schon eingestellt. «Für die Skigebiete ist der Klimawandel eine Realität», so Aschwanden. «Wir glauben aber an den Wintersport und setzen weiter darauf. Verglichen mit anderen Alpenländern haben wir zum Glück viele hoch gelegene Skigebiete.»

Grundsätzlich kommt dem Sommergeschäft jedoch in allen Berggebieten eine höhere Bedeutung zu. Viele bauen daher zum Beispiel Biketrails oder Wanderwege aus. In der Ostschweiz konnte das Skigebiet Pizol den Umsatz im Sommer so in den letzten acht Jahren fast verdoppeln. Heute hat dieser einen Anteil von 23 Prozent am Jahresumsatz. «Wir haben die Betriebszeiten der Bergbahnen und Restaurants ausgeweitet, um das Bergerlebnis auf das ganze Jahr auszudehnen», sagt Geschäftsführer Klaus Nussbaumer. «Sorgen macht uns der ­Klimawandel nicht, wir müssen aber die Beschneiung ausbauen und neue, kreative Angebote bieten.» Ein solches gibt es beispielsweise in Laax: Dort ist es möglich, den oberen Teil des Berges auf den Ski runterzufahren – und den unteren auf dem Mountainbike.

Schneekanonen laufen auf Hochtouren

Mitarbeiter der Titlis-Bergbahnen (OW) haben die Schneekanonen schon wieder weggeräumt. Der Grund: Die Kunstschneedecke ist bereits dick genug. Sie wird bis Saisonende herhalten. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Jahr 2018 eines der trockensten überhaupt war und sich die Pegelstände sowohl bei Gewässern als auch beim Grundwasser noch nicht erholt haben. Fürs Beschneien benötigen die Bergbahnen aber das knappe Gut.

Die Reaktion der Schweizer Skigebiete auf eine Umfrage dieser Zeitung: Wassermangel? Ach wo! Woanders vielleicht schon, aber nicht hier bei uns. Zu kämpfen mit dem wenigen Wasser haben – wenn schon – die kleinen. Zum Beispiel das Gebiet Klewenalp-Stockhütte (NW). Wegen der Trockenheit habe man nur kleine Wassermengen für die Beschnei­ung zur Verfügung, heisst es vom Gebiet hoch über dem Vierwaldstättersee. Den Pistenbauern fehlt es an einem Speichersee, aus dem sie Wasser abzapfen könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass Stürme den Naturschnee weggefegt haben. Auf der Ibergeregg (SZ) hat die Dürre 2018 sogar einen umgekehrten Einfluss: «Wir konnten mit wenig Schnee eröffnen, da der Boden trocken war und keine kleinen Bäche die Pisten durchnässen», heisst es von da. Schneekanonen findet man auf der Ibergeregg nicht.

Anders ist die Lage in der Ostschweiz, obwohl sie von der Trockenheit ärger betroffen worden ist als andere Regionen. Für die Pistenbauer aber kein Problem: Das Gebiet sei «wasserreich», heisst es aus dem Pizol, «keine Probleme» meldet Wildhaus, und auch am Flumserberg (wie die beiden anderen Gebiete im Kanton St. Gallen) hatten die Schneekanonen Hochbetrieb: «Wir entnehmen das Wasser aus zwei natürlichen Bergseen. Diese waren Ende Oktober so voll wie in all den anderen Jahren.» Dürreperiode hin oder her – die meisten Wintersportorte melden, beschneien zu können. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass viele in Speicherseen investiert haben. Und diese waren im Herbst randvoll. Zwei Gründe führten dazu: die Gletscherschmelze in Gebieten, in denen es noch Gletscher gibt. Und die Schneeschmelze im Frühling, die wegen der grossen Schneemengen letztes Jahr überdurchschnittlich stark ausfiel. Ausgerechnet wegen der hohen Temperaturen, welche zusätzlich zur Trockenheit dazukamen, gelangte also sehr viel Schmelzwasser in die Speicherseen. (dfu)