Anders als der Nationalrat will der Ständerat die Vorlage über Potentaten- geldern nicht abschwächen. Er spricht sich für die Variante des Bundesrates aus.
Tobias Bär
Bereichern sich Machthaber unrechtmässig und verschieben sie das Vermögen ins Ausland, ist von Potentatengeldern die Rede. Nicht selten landen diese Vermögen in der Schweiz: In den vergangenen 15 Jahren wurden weltweit Potentatengelder im Umfang von 5 Milliarden Dollar an die jeweiligen Herkunftsländer zurückerstattet. Ein Drittel davon stammte aus der Schweiz. Damit halte das Land den «Weltrekord», sagte Aussenminister Didier Burkhalter gestern im Ständerat.
Erstmals wurde die Schweiz nach dem Sturz des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos Mitte der 1980er-Jahre mit dem Problem konfrontiert. Zuletzt sperrte der Bundesrat die Vermögen der gestürzten Präsidenten von Tunesien, Ägypten und der Ukraine. Will die Regierung dies vorsorglich und vor Aufnahme eines Rechtshilfeverfahrens tun, muss sie sich heute auf die Bundesverfassung stützen, eine gesetzliche Grundlage fehlt. Das soll sich nun ändern.
Unter dem Eindruck des Arabischen Frühlings und ausgestattet mit einem Auftrag aus dem Parlament, stiess der Bundesrat 2011 ein neues Gesetz an. Dieses fasst grösstenteils die Praxis zusammen, die sich in den vergangenen Jahren etabliert hat. Demnach sollen Potentatengelder grundsätzlich über den Rechtshilfeweg an den Herkunftsstaat zurückfliessen. Am Beispiel von Haiti zeigte sich aber, dass ein solches Verfahren unmöglich ist, wenn die staatlichen Strukturen versagen. Deshalb verabschiedete das Parlament 2010 die «Lex Duvalier», benannt nach dem haitianischen Ex-Diktator. Es ermöglicht die Rückerstattung der Gelder auch in sogenannte «failed states». Die «Lex Duvalier» soll nun in das neue Gesetz integriert werden, das auf den Namen «Lex Mubarak» oder «Lex Ben Ali» hört.
Der Nationalrat schwächte die Vorlage im Juni in einem entscheidenden Punkt ab: Der Bundesrat wollte Fälle, in denen die Rechtshilfe scheitert, von der Verjährung ausnehmen. SVP, FDP und CVP sprachen sich erfolgreich für die Verjährung aus.
Mit der Variante des Nationalrats «wären der Schweiz die Hände gebunden», sagte Didier Burkhalter gestern bei der Beratung der «Lex Ben Ali» in der Kleinen Kammer. Bis das Bundesverwaltungsgericht den Einzug der gesperrten Gelder anordne, vergingen Jahre. Könne nun Verjährung geltend gemacht werden, müssten die Gelder unter Umständen freigegeben werden. «Das könnte der Reputation der Schweiz enorm schaden.»
Der Ständerat folgte der Argumentation und sprach sich gestern einstimmig gegen die Möglichkeit der Verjährung aus. Kritische Worte für das Gesetz fand nur der parteilose Thomas Minder (Schaffhausen). Die Vorlage sei mutlos und löse das Hauptproblem nicht. «Viel wichtiger wäre es, dass diese Gelder gar nicht erst in die Schweiz kommen.»
In der Schweiz sind derzeit Vermögen von rund einer Milliarde Franken gesperrt. Zu den Geldern der ehemaligen Machthaber von Ägypten (650 Millionen), Tunesien (60 Millionen) und der Ukraine (70 Millionen) kommen noch jene, die im Zusammenhang mit internationalen Sanktionen blockiert sind. Derzeit gilt dies für 120 Millionen Franken aus Syrien und 90 Millionen Franken aus Libyen, wie es beim Staatssekretariat für Wirtschaft auf Anfrage heisst. In den Fällen von Ägypten, Tunesien und der Ukraine läuft zudem ein Strafverfahren der Bundesanwaltschaft. Diese Gelder sind somit mehrfach blockiert.