Ende Oktober wird der höchste Schweizer Erziehungsdirektor gewählt. Der Luzerner Regierungsrat Reto Wyss steigt ins Rennen – und hat starke Konkurrenz.
Kari Kälin
Es ist ein Prestigeamt. Und es wird per Ende Jahr frei. Christoph Eymann, Präsident der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und Basler Regierungsrat, tritt von beiden Ämtern zurück. Ende Oktober kürt die Plenarversammlung der EDK einen neuen Präsidenten. Auf Eymanns Nachfolger oder Nachfolgerin wartet ein politischer Hosenlupf mit dem Bundesrat. Kulturminister Alain Berset (SP) schickt sich an, den Kantonen den Stundenplan zu diktieren: Das Unterrichten einer Landessprache in der Primarschule soll obligatorisch werden.
Eine Aufgabe des neuen EDK-Präsidenten wird lauten, sich gegen die bundesrätliche Einmischung in die Bildung, eine klassische Domäne der Kantone, zu wehren. Einer, der sich das zutraut, ist Reto Wyss (51), diplomierter Bauingenieur und seit 2011 Luzerner Bildungsdirektor. Die Zentralschweizer Bildungsdirektorenkonferenz hat den CVP-Regierungsrat fürs EDK-Präsidium nominiert. «Mich reizt diese Herausforderung. Geht es um Bildungsfragen, sitze ich lieber am Steuer als im Seitenwagen», sagt Wyss.
Die Kantone seien bei der Harmonisierung der Volksschule auf Kurs. Für einen Eingriff des Bundes in die Kantonshoheit sieht Wyss momentan keinen Grund. «Es ist aktuell nicht opportun, den Kantonen eine mangelnde Harmonisierung anzukreiden und vom Bund her Sanktionen vorzunehmen», sagt Wyss. Er stütze die Strategie der EDK, an der Primarschule zwei Fremdsprachen zu unterrichten und es den Kantonen zu überlassen, ob sie mit Englisch oder einer Landessprache beginnen wollen.
Wyss selber befindet sich im Sprachenstreit in einer heiklen Lage. Heisst das Volk eine hängige kantonale Initiative für die Verbannung einer Fremdsprache gut, wäre Luzern unter den Kantonen, die aus dem Sprachenkompromiss ausscheren. Ob Luzern im Falle einer Annahme Englisch oder Französisch kippen würde, lässt Wyss offen. Klar ist für ihn jedoch, dass die Zentralschweiz Anspruch auf das EDK-Präsidium hat.
Es ist in der Tat lange her, dass die Zentralschweiz den obersten Schweizer Bildungsdirektor stellte: Von 1969 bis 1973 stand der Zuger Regierungs- und spätere Bundesrat Hans Hürlimann (CVP) an der Spitze der EDK.
Ob Wyss das Rennen macht, entscheidet die Plenarversammlung der EDK Ende Oktober. Ein Spaziergang wird es für den Luzerner Kandidaten keinesfalls. Zwei starke Figuren haben ebenfalls ihr Interesse signalisiert: der Schaffhauser FDP-Regierungsrat Christian Amsler (52) und die Zürcher CVP-Regierungsrätin Silvia Steiner (58).
Amsler leitet seit 2010 die Schaffhauser Bildungsdirektion. Vorher wirkte er als Prorektor der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen. Per Ende Jahr muss er das Präsidium der EDK-Deutschschweiz nach vier Jahren abgeben – wegen einer Amtszeitbeschränkung. Für Amsler, der sich als Fürsprecher des umstrittenen Lehrplans 21 einen Namen gemacht hat, wäre das EDK-Präsidium der logische nächste Karriereschritt.
Dass er von Haus aus Pädagoge sei, sei sicher kein Nachteil, sagt er. Auch Amsler verteidigt die Sprachenstrategie der EDK: «Die Kantone werden zeigen, dass sie ihre Hausaufgaben auch ohne ein Machtwort aus Bern erledigen», sagt Amsler.
Die dritte Aspirantin ist Silvia Steiner. Sie wurde zwar erst im Frühling letzten Jahres in den Regierungsrat gewählt, gilt aber als sehr ambitioniert. Zuvor jagte sie im Kanton Zürich während zehn Jahren als federführende Staatsanwältin Menschenhändler. Steiner, ausgestattet mit einem Doktortitel in Kriminologie, hat Verbindungen zur Innerschweiz. Ihr Bürgerort ist Lauerz im Kanton Schwyz, zwischen den Jahren 2002 und 2005 leitete sie die Zuger Kriminalpolizei.
In den 1980er-Jahren wurde sie mit dem Damenhandballclub Zürich Schweizer Vizemeisterin. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte ihr damaliger Trainer Marcel Lenggenhager: «Wenn sie Anlauf nahm, dann hats ‹rätsch› gemacht.» Bringt sie ihre sportliche Performance auf die politische Bühne, müssen sich Wyss und Amsler warm anziehen.