Die Zahl der Einbürgerungen ist 2017 erneut gestiegen. Im Kanton Zürich gingen zudem deutlich mehr Gesuche ein. Ein Grund dafür sind die Verschärfungen, die mit dem Jahreswechsel in Kraft treten.
Tobias Bär
Nachdem die Nachfrage nach dem roten Pass während Jahren zurückgegangen war, zog sie nach 2014 wieder an. Dieser Trend setzte sich im zu Ende gehenden Jahr fort: Bis Ende November liessen sich rund 40600 Ausländerinnen und Ausländer einbürgern. Das sind fast so viele wie im ganzen Jahr 2016. Inklusive den Einbürgerungen im Monat Dezember werden es am Ende deutlich mehr sein.
Experten gehen allerdings davon aus, dass die Zahl der Einbürgerungen bald wieder sinken wird. Grund dafür ist das neue Bürgerrechtsgesetz, das Anfang kommender Woche in Kraft tritt. Zwar bringt dieses eine Lockerung bezüglich der Aufenthaltsdauer: Wer sich einbürgern lassen will, muss sich während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben. Bislang galt eine Frist von zwölf Jahren. Daneben bringt das neue Gesetz aber zahlreiche Verschärfungen. So braucht neu eine Niederlassungsbewilligung, wer sich einbürgern lassen will. Zudem müssen einbürgerungswillige Personen zusätzliche Integrationskriterien erfüllen.
Mehrere kantonale und kommunale Behörden haben die ausländische Bevölkerung auf die Verschärfungen hingewiesen. In der Stadt Zürich erhielten Ausländer Anfang Mai einen Brief von SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch. Darin wurden sie ermuntert, ein Einbürgerungsgesuch zu stellen. Mauchs Parteikollegin Jacqueline Fehr, Justizdirektorin des Kantons Zürich, forderte die restlichen Zürcher Gemeinden auf, dem Beispiel der Stadt zu folgen.
Die Informationsoffensive zeigt Wirkung: Bis im Mai zählte der Kanton Zürich noch weniger Gesuche für eine ordentliche Einbürgerung als im Vorjahr. Zum Jahresende liegt die Zahl der Gesuche im Vergleich mit 2016 nun um einen Drittel höher, wie die Zürcher Justizdirektion mitteilt. Weil es sich beim Einbürgerungsverfahren um ein langwieriges Prozedere handelt – in der Stadt Zürich dauert dieses rund zwei Jahre – wird sich die Zunahme bei den Gesuchen verzögert in der Einbürgerungsstatistik niederschlagen. Sollten die höheren Hürden die Zahl der Einbürgerungen also tatsächlich drücken, dann wohl erst mit einer gewissen Verzögerung.
Zu den neuen Integrationskriterien gehören verbindliche Sprachkompetenzen. Wer sich einbürgern lassen will, der muss in einer Landessprache schriftlich mindestens das Niveau A 2 erreichen – es ist dies die zweite Stufe im sechsstufigen europäischen Referenzrahmen. Niveau A 2 meint, dass eine Person einfache Behördenbriefe verstehen und Formulare ausfüllen kann. Mündlich wird die dritte Stufe B 1 vorausgesetzt («kann die meisten Alltagssituationen bewältigen»).Die Kantone können strengere Sprachanforderungen vorsehen.
So hat sich das Thurgauer Kantonsparlament für eine jeweils um eine Stufe höhere Sprachkompetenz ausgesprochen. Mündlich gilt also Stufe B 2 («kann sich spontan und fliessend verständigen»). Der Thurgau stellt damit in Zukunft zusammen mit Schwyz die strengsten Anforderungen an die Sprachkompetenz. Über die Mindestanforderungen hinaus geht auch der Kanton St. Gallen. «Bei uns gilt wie bisher auch weiterhin der Standard B 1/B 1», sagt Urs Bachmann vom Amt für Bürgerrecht und Zivilstand.
Die Sprachkompetenz kann mit einem anerkannten Sprachzertifikat nachgewiesen werden. Daneben sollte ab Anfang 2018 ein neuer Sprachnachweis zur Verfügung stehen, der sich auf das Sprachförderungskonzept des Bundes (fide) abstützt. Die Testaufgaben sollten sich auf den Alltag der Migranten in der Schweiz beziehen. Doch die Liste mit den Anbietern steht noch nicht. In der Deutschschweiz könnten die neuen Sprachtests «erst ab Februar durchgeführt werden», sagt Mireia Casulleras von der Geschäftsstelle fide.
Die Integrationsvoraussetzungen erfüllen müssen weiterhin auch die Ausländer der dritten Generation, die sich ab Anfang 2018 erleichtert einbürgern lassen können. Die «Erleichterung» bezieht sich einzig auf den geringeren Aufwand und die tieferen Kosten im Vergleich zur ordentlichen Einbürgerung.