Bundesräte am WEF: Viel geredet, wenig entschieden

Gleich vier Bundesräte besuchten das WEF. Was haben sie da gemacht? Und vor allem: Was haben sie erreicht?

Michel Burtscher, Davos
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Ueli Maurer freut sich. «Ein Traum geht in Erfüllung», frohlockt der Bundespräsident. Es ist Dienstag, draussen ist es dunkel geworden, der erste WEF-Tag neigt sich dem Ende zu. Maurer steht in der VIP-Loge im Stadion des HC Davos. Für das Weltwirtschaftsforum wurde die Loge umfunktioniert zum «House of Switzerland», und hier empfing die Landesregierung Gäste aus dem In- und Ausland. Eine Premiere. Der Raum versprüht Chalet-Charme: Holz an den Wänden, Holz an der Decke. Es gibt Bündner Gerstensuppe, Fondue, Raclette. Maurer sagt: «Mit dem ‹House of Switzerland› haben wir nun eine Basis, um die Schweiz am WEF der Welt zu präsentieren.» Das Weltwirtschaftsforum sei für die Schweiz von grosser Bedeutung, betont der Bundespräsident. «Im Ausland kennt man Genf und Davos – wo Bern ist, weiss man nicht.» Neben Maurer (SVP) stehen Aussenminister Ignazio Cassis (FDP), Innenminister Alain Berset (SP) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP). Die Männer im Bundesrat sind vollzählig vertreten.

Die bundesrätliche Präsenz unterstreicht den Stellenwert, den die Landesregierung dem Stelldichein der Eliten beimisst. Hier treffen die Magistraten in kurzer Zeit viele Amtskollegen aus dem Ausland. Alleine Bundespräsident Maurer führte während der vier Tage über dreissig Gespräche mit Staats- und Regierungschefs, Finanzministern und Wirtschaftsvertretern, unter anderem mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und EU-Kommissar Pierre Moscovici.

Besprechungen in lockerer Atmosphäre

Doch was bringen diese Treffen? Am WEF werde vor allem abgetastet und wenig entschieden, sagte Maurer am ersten Tag. Ähnlich tönte es bei Aussenminister Cassis, als er am Freitag Bilanz zog: Das WEF sei ein guter Ort, um in lockerer Atmosphäre verschiedene Themen zu besprechen, sagte er. «Aus solchen Gesprächen entsteht Vertrauen,und daraus entstehen gemeinsame Pläne.»

Thema bei den Treffen mit Vertretern der EU und ihrer Mitgliedsstaaten war immer auch das Rahmenabkommen, über das sich Bern und Brüssel seit Jahren streiten. Er und seine Bundesratskollegen hätten dabei das weitere Vorgehen der Schweiz erläutert, sagte Cassis. Der Entwurf des Vertragstextes befindet sich hierzulande im Moment in der Konsultation, die EU drängt auf einen schnellen Abschluss. «Wir lassen uns nicht unter Druck setzen», sagte Wirtschaftsminister Parmelin dazu. Er habe seinen Gesprächspartnern klargemacht, dass man nun zunächst die Ergebnisse der Konsultation abwarte und danach wieder auf die EU zugehen werde.

Einige konkrete Ergebnisse konnte der Bundesrat aber durchaus vermelden: So unterzeichnete die Schweiz mit Grossbritannien ein Versicherungs- und ein Strassenverkehrsabkommen für die Zeit nach dem Brexit – und mit der Ukraine ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen. Laut Cassis gab es zudem Fortschritte beim Flugverkehrsabkommen mit Costa Rica.

Kakofonie um Maurers Khashoggi-Aussage

Ohne Zwischentöne ging das WEF aber auch dieses Jahr nicht über die Bühne. So irritierte Bundespräsident Maurer mit seiner Aussage, der Fall des getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi sei für die Schweiz erledigt. Parteikollege Parmelin widersprach kurz darauf, Aussenminister Cassis wiegelte ab. Eine Kakofonie wie so oft am WEF, wenn mehrere Bundesratsmitglieder einzeln mit den Medien sprechen.

Die Tage in Davos sind für die Bundesräte lang und intensiv. Das Weltwirtschaftsforum sei fantastisch, betonte Cassis, aber keineswegs wie Ferien. «Es ist harte Arbeit von morgens bis abends.» Parmelin sagte, er habe wegen der vielen Treffen fast keine Zeit gehabt, um WEF-Veranstaltungen zu besuchen. Auch für die Mitarbeiter der Bundesräte ist der Anlass eine Herausforderung – und die beginnt schon lange vor dem eigentlichen Anlass. Sie müssen mögliche Gesprächspartner kontaktieren, die Treffen organisieren, Orte dafür aussuchen. Und bis zum Schluss könne man sich nie sicher sein, ob die Treffen dann auch wirklich stattfänden, sagte ein Bundesratsmitarbeiter. Es kann immer etwas dazwischenkommen.

So wie bei der US-Delegation, die ihren angekündigten WEF-Besuch wegen des Shutdown-Streits in Washington absagen musste. Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr. Der Bundesrat jedenfalls, soviel ist sicher, wird auch dann wieder in Davos vertreten sein.