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Schweiz
Noch Anfang Dezember schien klar: Das Referendum gegen das Terror-Gesetz scheitert. Es waren erst 18'000 Unterschriften gesammelt. Doch dann kam es zu einem kleinen Wunder.
Wenn der Postbote klingelt, dann weiss die Junge GLP: Er bringt wieder kistenweise neue Unterschriften in das Sekretariat. Alleine am Montag waren es 16'000. Vertreter des Komitees, das aus JGLP, Juso, Jungen Grünen und Piratenpartei besteht, zählten in den letzten Tagen jeweils bis Mitternacht Unterschriften.
«Das ist fast surreal», sagt Sanija Ameti (JGLP), Koordinatorin des Referendums. «In den letzten drei Wochen sammelten wir 50'000 Unterschriften.» Am Donnerstag wird das Referendumskomitee «Nein zum Willkürparagraph» der Bundeskanzlei mehr als 90'000 Unterschriften übergeben. Ein kleines Wunder.
Am gleichen Tag reicht auch die Bewegung «Freunde der Verfassung» über 50'000 Unterschriften ein gegen das Terror-Gesetz. Sie hatte mit der Sammlung begonnen, nachdem sie im Dezember ihr Referendum gegen das Covidgesetz mit 85'000 Unterschriften beendet hatte.
Die linksgrünen Jungparteien und die «Freunde der Verfassung», Kritiker der offiziellen Corona-Politik, bilden eine unheilige Allianz. Politisch distanzieren sie sich gegenseitig voneinander. Sie reichen deshalb die Unterschriften bewusst nicht gemeinsam ein.
Es waren aber die Freunde der Verfassung, die dem linksgrünen Referendumskomitee den Glauben zurückgaben, dass das Referendum noch zu schaffen ist. Als sie Ende Dezember bereits 15'000 Unterschriften gesammelt hatten, zeigte dies: Das Referendum ist doch möglich, trotz Coronavirus.
In der Folge setzte bei den Jungparteien ein eigentlicher Unterschriftenboom ein. «Ein Artikel in der ‹Republik› verursachte viel Resonanz», sagt Ameti. «Und als das ‹Echo der Zeit› zu früh vermeldete, das Referendum sei zustande gekommen, gab das auch einen Schub.»
Das Komitee hatte zu diesem Zeitpunkt erst 50'000 Unterschriften. Nötig sind erfahrungsgemäss etwa 60'000, damit ungültige Unterschriften kompensiert werden. Bis am Mittwochabend kamen die linksgrünen Jungparteien aber auf über 90'000 Unterschriften. Mit den 50'000 Unterschriften der «Freunde der Verfassung» sind es total 140'000 Signaturen. Eine unglaublich hohe Zahl.
Das hat auch damit zu tun, dass der Postversand des Komitees war überraschend erfolgreich war. Gleichzeitig versandten Organisationen wie die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), Public Eye und Amnesty International Schweiz noch Newsletter.
Ganz entscheidend war allerdings ein Entscheid des Parlaments im Oktober: Die Bundeskanzlei solle während der Pandemie Unterschriften beglaubigen. Das gab dem Komitee Luft. Normalerweise benötigt es zwei bis drei Wochen für die Beglaubigungen. Diese konnte es nun bis zum letzten Tag zum Sammeln und Zählen einsetzen.
Damit konnte das Referendumskomitee die 30'000 Franken, die für die Beglaubigungen vorgesehen waren, in den Postverstand stecken. Koordinatorin Ameti: «Hätten wir beides zahlen müssen, wäre das finanziell zu viel gewesen.»
Ameti gesteht ein, sie habe sich «geirrt», als sie festhielt, die Demokratie funktioniere nicht mehr. Weil Referenden in einer Pandemie kaum zustande kämen. «Die Demokratie funktioniert. Die Menschen lassen sich auch über Postversände mobilisieren», sagt sie. «Das hätte ich nicht erwartet. Trotzdem wäre es gut, wenn es künftig E-Collecting gäbe für eine ähnliche Situation.»
Für Netzaktivist Daniel Graf, Gründer der Online-Plattform Wecollect, würde es Sinn machen, wenn die Bundeskanzlei die Beglaubigungen von nationalen Referenden auch in Zukunft übernähme. ««Um die Komitees finanziell wie logistisch zu entlasten», wie er betont.
So könnten die 100 Tage, die laut Verfassung für die Unterschriftensammlung zur Verfügung stehen, voll ausgenützt werden. Auch die Gemeinden würden entlastet, da sie oft kurz vor Ablauf der Frist kistenweise Unterschriftenbögen erhielten.
Die Beglaubigung eines nationalen Referendums koste ein Komitee «mindestens 50'000 Franken», sagt Graf. Das sei gerade für Bürgerkomitees, die nicht von Parteien oder Verbände unterstützt würden, «sehr viel Geld und oft ein Grund, ein Referendum gar nicht zu starten».