Dominik Buholzer, Leiter «Zentralschweiz am Sonntag», über die Schweizer Beziehung zur EU.
Das Jahr geht für die Schweiz aussenpolitisch zu Ende, wie es angefangen hatte: mit vielen Fragezeichen bei der Beziehung zur EU. Noch vor kurzem sah es anders aus. Nachdem sich das Parlament im Dezember 2016 auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative hatte einigen können, schien sich das Verhältnis zur EU langsam wieder zu normalisieren.
Doch dann kam diesen November EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker auf Besuch. Kaum war er weg, schwanden auch die Hoffnungen. Kurz vor Weihnachten beschloss dann die EU-Kommission, die Schweizer Börse nur provisorisch für ein Jahr anzuerkennen. Gibt es im kommenden Jahr keine Verhandlungsfortschritte beim Rahmenabkommen, steht die Börsenäquivalenz der Schweiz wieder auf dem Spiel.
Seither ist hierzulande die Rede von Erpressung, Diskriminierung. Man kann dies so bezeichnen. Wer es sanfter ausdrücken will, spricht lieber von bilateralem Desaster. Auch das ist nicht falsch. Man kann es aber auch ganz einfach Politpoker nennen. Denn letzten Endes ist die Reaktion der EU gar nicht so überraschend. Die EU-Mitgliedstaaten hatten im vergangenen Februar in ihrer Schweiz-Erklärung festgehalten, dass es ohne einen institutionellen Rahmen keine Teilnahme am Binnenmarkt gibt. Weshalb sollte dies auf einmal Makulatur sein?
Bundesrätin Doris Leuthard schwebt eine «grundlegende Europa-Abstimmung» vor, damit der Bundesrat wieder weiss, in welche Richtung die Schweizer in der Europa-Politik gehen wollen. Wieso nicht? Er kann aber auch die Kohäsionsmilliarde auf Eis legen. Diese Sprache versteht die EU, die sonst partout nicht gewillt ist, unser politisches System zu begreifen, wohl besser.
Die Schweiz steht aussenpolitisch nicht vor einem Scherbenhaufen, aber vor viel Ungewissheit. Jetzt muss der Bundesrat wieder über die Bücher gehen. Er kann sich dabei Bertolt Brecht zu Herzen nehmen: «Ja, mach nur einen Plan / Sei nur ein grosses Licht / Und mach dann noch ’nen zweiten Plan / Gehn tun sie beide nicht.» Manchmal braucht es mehrere Anläufe, um ans Ziel zu gelangen. Man darf sich davon einfach nicht nervös machen lassen.
Dominik Buholzer, Leiter «Zentralschweiz am Sonntag»
dominik.buholzer@luzernerzeitung.ch