Wahlen 2019
Die Daten lügen nicht: Der Linksrutsch ist in der Schweiz bereits Tatsache

Eine neue Analyse zeigt: Bei den kantonalen Wahlen hat die Linke auf Kosten der Mitte und der Rechten markant zugelegt. Schlimmer noch für die Rechte: Der Abstieg der SVP hat sich beschleunigt. Dies sind schlechte Vorzeichen für die eidgenössischen Wahlen.

Roger Braun
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Jonas Heeb wurde in den Kantonsrat gewählt

Jonas Heeb wurde in den Kantonsrat gewählt

Philipp Schmidli, Luzern, 31. März 2019

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In den Kantonsratswahlen seit den eidgenössischen Wahlen 2015 haben die links-grünen Parteien deutlich zugelegt, während SVP sowie die bürgerliche Mitte deutlich verloren haben.

Der Politologe Clau Dermont von der Universität Zürich hat die Sitzverschiebungen der Parteien über die vergangenen dreieinhalb Jahre im Einzelnen aufgezeichnet. Seine Analyse zeigt Folgendes.

1. Kantone sind deutlich nach links gerutscht

Die Zugewinne für SP und Grüne sind deutlich. Insgesamt hat die Linke in der laufenden Legislatur 61 Sitze hinzugewonnen. Der Grossteil dieser Sitze gewann sie auf Kosten der Mitte, die 45 Sitze einbüsste.

Die politische Rechte büsste 22 Mandate ein, wobei dafür vor allem die Verluste der SVP verantwortlich sind. Hätte die FDP nicht Sitze dazu gewonnen, sähe die Bilanz noch schlechter aus. Innerhalb des rechten Lagers wurde damit die gemässigte Seite gestärkt.

2. Die Talfahrt der SVP beschleunigt sich

Zu Beginn der Legislatur lief für die SVP noch alles am Schnürchen. In St.Gallen gewann man fünf Sitze, im Uri einen. Doch schon bald harzte es. Schliesslich wendete sich das Blatt komplett. In Neuenburg verlor die Partei im April 2017 - auch wegen internen Querelen - elf Sitze. Danach ging es stetig aber langsam nach unten.

Bis zum Anfang dieses Jahres, wo sich die Lage allerdings nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren wendete. Plötzlich beschleunigte sich der Niedergang rapide. Fünf Sitze weniger in Ausserrhoden; minus neun Sitze in Zürich; minus sieben Sitze in Luzern; minus sieben Sitze im Baselbiet. Seit die Klimadebatte im Land entbrannt ist, bringt die SVP kaum mehr ein Bein vors andere. Inzwischen steht die Bilanz bei 41 verlorenen Sitzen.

3. Grüne Parteien können sich bei Gretha bedanken

Seit die schwedische Klimaaktivistin Gretha Thunberg den Weg in die Schweiz gefunden hat, ging es mit den Grünen und den Grünliberalen steil bergauf. Dank Zugewinnen in der Westschweiz waren die Grünen schon vor der grossen Klimadebatte auf der Siegerstrasse, doch so richtig abgehoben sind sie erst dieses Jahr. In Zürich gewannen sie neun Sitze hinzu. In Luzern waren es acht; im Baselbiet sechs Sitze.

Die Grünliberalen bewegten sich lange Zeit kaum - bis sie in Zürich zum grossen Triumph ansetzten. Neun Sitze gewann die Kleinpartei im Kanton Zürich, danach weitere drei in Luzern. Die Aussage scheint nicht gewagt: Ohne die Klimadebatte wäre das unmöglich gewesen.

4. Die bürgerliche Mitte siecht dahin

Relativ unabhängig von der Themenlage entwickeln sich BDP und CVP. Im zeitlichen Verlauf zeigen sich kaum Auffälligkeiten. Es geht langsam, aber beinahe stetig nach unten.

Die CVP ist neben der SVP Hauptverliererin der kantonalen Wahlen mit einem Verlust von 35 Sitzen; bei der BDP sind es 21 Sitze. Gerade in Bezug auf die sonst schon geschrumpfte Grösse der beiden Parteien sind diese Sitzverluste markant.

5. Die FDP ist die grosse Unbekannte

Wohin strebt die FDP? Auf den ersten Blick nach oben. Sie gehört nach den Grünen zur grossen Gewinnerin der Kantonsratswahlen mit einem Plus von 30 Sitzen. Allerdings: Im laufenden Jahr hat sie vier Sitze verloren. Und weil diese Verluste näher an den eidgenössischen Wahlen dieses Jahres liegen als die früheren Gewinne, ist Vorsicht angebracht beim Freisinn.

Kommt hinzu: Die FDP profitiert statistisch von einem Sondereffekt. Im Kanton Waadt hat sie elf Sitzgewinne verbucht. Dies hängt aber vor allem daran, dass die Liberale Partei, die bei den vorherigen Wahlen noch eigenständig antrat, sich der FDP angeschlossen hat. Neun von elf zusätzlichen Sitzen können damit erklärt werden.

6. SP hat auf den Siegerpfad gefunden

Lange Zeit gab es bei der SP keinen klaren Trend zu erkennen. Doch seit die Partei in Obwalden im März 2018 drei Sitze hinzugewann, geht es fast stetig aufwärts. Inzwischen steht die Partei bei einem satten Plus von 23 Sitzen.

Hatte man bei den Zürcher Wahlen noch den Eindruck, dass die SP unter der verstärkten Klimadebatte (und der Konkurrenz der grünen Parteien) leiden könnte, hat sich in Luzern gezeigt: Sitzgewinne der Grünen und Grünliberalen schliessen Wahlerfolge der SP nicht aus. Die Sozialdemokraten gewannen in Luzern drei Sitze.