Die letzten drei Monate waren extrem trocken. Der Rasen im Garten färbt sich gelb, die Grundwasser- und Seepegel sinken, und in weiten Teilen der Schweiz herrscht grosse Waldbrandgefahr. Da denken alle an den Jahrhundertsommer 2003.
Die Waldbrandkarte der Schweiz sieht zurzeit beängstigend aus. Orange die Zentral- und Ostschweiz, feurig rot Graubünden und gar schon schwarz verbrannt das Tessin. Erheblich, gross und sehr gross ist die Waldbrandgefahr in diesen Regionen – und im Tessin gilt ein absolutes Feuerverbot im Freien. Seit Monaten ist es in der Schweiz sehr trocken. April, Mai und Juni herrschten in der Schweiz zudem weit überdurchschnittliche Temperaturen, der Juni war der drittwärmste seit Messbeginn im Jahr 1864.
Versanken in der Erinnerung Festivals, Stadtfeste und Open Airs im Juni jeweils im Schlamm, stob dieses Jahr der trockene Sand durch die Sandalen. April bis Juni erreichten die Regensummen im landesweiten Mittel nur 71 Prozent der Norm. Damit registrierte die Schweiz eine der zehn niederschlagsärmsten April-Juni-Perioden seit Messbeginn 1864. «Und in den ersten Juli-Tagen waren aufgrund der gewittrigen Form die Niederschläge regional stark unterschiedlich», sagt Thomas Schlegel von Meteo Schweiz. «Aufgrund der hohen Temperaturen und der damit verbundenen hohen Verdunstung hat sich somit, zumindest regional, die Situation verschärft.» Denn der Juni hat in einigen Gebieten der Schweiz nur 20 bis 40 Prozent der normalen Niederschlagsmengen geliefert. Und auch in den anderen Regionen blieben die Mengen unter der Norm, einzig in der Westschweiz fielen lokal normale Regenmengen.
So fühlen sich viele an den Jahrhundertsommer 2003 erinnert, der über Monate Hitze, Sonne und Dürre brachte. Ein Vergleich drängt sich auf, doch der Meteorologe Schlegel relativiert: «Was die Temperaturen betrifft, sind wir noch deutlich entfernt vom Sommer 2003.» Der Frühling 2003 war noch niederschlagsärmer als dieses Jahr, damit waren die Vorbedingungen trockener als zurzeit. Für die Beurteilung der Trockenheit betreiben das Bundesamt für Umwelt, Meteo Schweiz und die Eidgenössische Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL) eine Plattform namens Drought. Darauf wird ersichtlich, dass Wälder und Böden in den westlichen und südlichen Landesteilen ausgetrocknet sind. Generell herrscht aber östlich von Bern grössere Trockenheit.
«Trotzdem sind die Schweizer Speicherseen zurzeit für diese Jahreszeit gut gefüllt. Dies dank der grossen Schneeschmelze im Frühling und Frühsommer», erklärt Manfred Stähli, Hydrologe an der WSL. Dank der gut gefüllten Speicherseen sieht Stähli somit keine Probleme für die Wasserkraftproduktion. Das gilt auch für die Trinkwasserversorgung, die primär aus dem Grundwasser kommt. Die Schweiz hat generell grosse Wasserspeicher-Kapazitäten: Natürliche Seen, reguliert und unreguliert, fassen rund 120000 Millionen Kubikmeter, Speicherseen rund 3000 Millionen, und in den Trinkwasserreservoiren lagern 4,5 Millionen Kubikmeter. «Das sind also ganz gewaltige Wassermengen. Aber natürlich sind sie nur beschränkt nutzbar», sagt WSL-Experte Stähli.
«Die natürlichen Seen in der Zentral- und Ostschweiz weisen einen eher niedrigen Pegel auf; in der Westschweiz sind die Seepegel im normalen Bereich», sagt Stähli. Im Zuge der seit drei Monaten unterdurchschnittlichen Niederschläge gingen die Grundwasserstände und die Quellabflüsse stetig zurück. Zwar gab es einzelne heftige Gewitter mit Starkniederschlägen. «Doch um die Grundwasserstände wieder in einen durchschnittlichen Bereich steigen zu lassen, braucht es etwa zwei Monate überdurchschnittliche oder mehrere Monate durchschnittliche Niederschlagsmengen», sagt Daniel Streit von der Abteilung Hydrologie des Bundesamts für Umwelt.
Was die Pegelstände der Seen betrifft, seien die meisten in der Schweiz reguliert und könnten so auf einem durchschnittlichen Niveau gehalten werden. Zudem profitieren solche regulierten Seen wie Brienzer- und Thunersee sowie die Speicherseen von der Gletscherschmelze. Bei nicht regulierten Seen wie zum Beispiel dem Bodensee sei der Pegel zurzeit unterhalb des Mittelwertes. Und die weiterhin ausbleibenden Niederschläge würden den Pegel weiter sinken lassen, der früh wegen der Schneeschmelze im April zwischenzeitlich angestiegen sei, wie Streit erläutert. Wenn die Trockenheit allerdings noch länger dauert, und so sieht es im Moment aus, dürfte das Wasser lokal knapp werden, sagt Stähli. «Vor allem bei der landwirtschaftlichen Bewässerung, welche das Wasser aus kleinen Fliessgewässern bezieht.»
Das bestätigt auch Markus Waber vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten in Bern. Sicher müsse man die kommenden Entwicklungen im Auge behalten. Noch sei die Trockenheit im Gemüsebau aber kein grosses Thema. Im Kanton Thurgau und in vereinzelten Regionen im Aargau mache sich die Dürre aber bemerkbar. Grundsätzlich sind im Gemüsebau alle gepflanzten Kulturen wie zum Beispiel Salate anfälliger als im Boden gesäte Kulturen. Mit Ernteausfällen sei im Moment aber noch nicht zu rechnen, sagt Waber. Doch müssten Gemüsebauer die Wetterentwicklung immer im Auge behalten. «Die Situation ändert sich wöchentlich», sagt Waber. Mit dem Jahr 2003 könne die Situation im Gemüsebau aber nicht verglichen werden.
Auch wenn die Hitze und Trockenheit des Sommers 2003 wohl nicht erreicht wird. «Grundsätzlich wird aufgrund der aktuellen Klimaszenarien davon ausgegangen, dass das Trockenheitsrisiko in der Schweiz steigt», sagt Thomas Schlegel von Meteo Schweiz. «Grund dafür sind die Abnahme der Sommerniederschläge, die geringere Anzahl an Tagen mit Niederschlag und damit verbundene längere Perioden ohne Niederschlag sowie die höhere Verdunstung aufgrund der weiteren Temperaturzunahme.» Allerdings seien die Prognosen bezüglich der Zunahme von Trockenperioden noch etwas unsicher, weil die Spannweite der Berechnungsmodelle noch relativ gross sei, erklärt Schlegel.
Die Anzeichen zur Erwärmung sollten allerdings dazu führen, mit dem Wasser in Zukunft haushälterisch umzugehen. «Wenn zukünftig vermehrt mit solchen längeren Trockenperioden zu rechnen ist, ist ein schonender und effizienter Umgang mit Wasser ein wichtiges Thema», sagt Waber. Im Gemüsebau wird daran geforscht: «Beispielsweise mit der Tropfbewässerung. Sie ist allerdings sehr arbeits- und kostenintensiv und eignet sich nur für wenige Kulturen.»
«Die aktuellen Studien, die in den letzten Jahren in der Schweiz gelaufen sind, zum Beispiel das Nationale Forschungsprogramm NFP 61, kommen zum Schluss, dass die Schweiz auch in Zukunft – mit einem wärmeren Klima, intensiver Landwirtschaft und Bevölkerungszunahme – für die verschiedenen Nutzungen ausreichend Wasser haben wird», sagt Manfred Stähli von der Forschungsanstalt WSL. «Lokal dürfte es jedoch in besonders trockenen Jahren zu Wasserknappheit kommen, beispielsweise in bewässerungsintensiven Gebieten.» Generell sei in inneralpinen Tälern mit relativ wenig Niederschlag und verschiedenen Wassernutzungen wie Wasserkraft, Bewässerung und Tourismus sowie in bewässerungsintensiven Gebieten im Mittelland zukünftig am ehesten mit Wasserknappheit zu rechnen. Deshalb wird über neue Möglichkeiten der Wasserspeicherung nachgedacht. «Zum Beispiel von künstlichen Bewässerungsteichen oder Wasserspeicherung im Boden», sagt Stähli. «Es ist aber noch unklar, wie gross das effektive Potenzial solcher Massnahmen zur Bewältigung von Trockenheitssituationen ist.»