Zuerst winkte sie ab. Nun überlegt sich Petra Gössi doch eine Kandidatur fürs FDP-Präsidium. Eine grosse Figur des Freisinns unterstützt die Schwyzer Nationalrätin.
Kari Kälin
Es ist Dienstag, kurz nach 13 Uhr, Petra Gössi schreitet über den Berner Bundesplatz. Vor wenigen Minuten hat FDP-Präsident Philipp Müller (63) seinen Rücktritt per April 2016 angekündigt. «Petra Gössi, werden Sie Philipp Müllers Nachfolgerin?», will unsere Zeitung wissen. «Meinen Sie diese Frage ernst?», entgegnet die Schwyzer Nationalrätin leicht amüsiert und wohl auch etwas überrumpelt. Sie verneint jegliche Ambitionen.
Fünf Tage später sieht die Welt anders aus. Doch, sie überlege sich eine Kandidatur während der Weihnachtszeit, sagte die 39-Jährige gestern auf Anfrage. Völlig überraschend kommt Gössis Neubeurteilung nicht. Aus vier Gründen.
Der zweifache Ex-Bundesratskandidat Steinegger ist Verwaltungsratpräsident der Baryon AG mit Sitz in Zürich. Juristin Gössi arbeitet in einem 60-Prozent-Pensum für diese Firma, die sich auf Vermögensverwaltung, Steuer- und Unternehmensberatung konzentriert. Gössi wird in den kommenden Tagen abklären, was die Übernahme des FDP-Präsidiums, der Gründerpartei des modernen Bundesstaates, für ihre berufliche Karriere bedeuten würde.
Gössi wohnt in Küssnacht am Rigi, wurde 2011 in den Nationalrat gewählt und sass in den letzten vier Jahren in der Finanz- und der Gerichtskommission. In der neuen Legislatur politisiert sie in der prestigeträchtigen Wirtschafts- sowie in der Rechtskommission.
Auf nationaler Ebene ist Gössi bis jetzt vor allem als Kritikerin des Neuen Finanzausgleichs (NFA) in Erscheinung getreten. So provozierte sie zum Beispiel mit dem Vorschlag, der Kanton Schwyz solle die NFA-Beiträge auf ein Sperrkonto einzahlen, solange die NFA-Profiteure den Geberkantonen nicht entgegenkommen. «Wenn man zu drastischen Mitteln greift, bewegt sich etwas», sagte sie im Juli 2014. Sie dachte dabei an den Kanton Tessin, der 2011 einen Teil der für Italien bestimmten Quellensteuern einfror. Dem Südkanton gelang es mit diesem Akt des Ungehorsams, eingeschlafene Steuerverhandlungen zwischen der Schweiz und Italien zu reaktivieren. In Schwyz blieb es allerdings bei der Drohung.
Das Anforderungsprofil an ein Parteipräsidium ist hoch. Gabi Huber, ehemalige FDP-Fraktionschefin und Urner Nationalrätin, beschrieb es im Interview mit unserer Zeitung einst so: «Der ideale Parteipräsident muss so viele Fähigkeiten auf sich vereinen, die ein einzelner Mensch gar nicht besitzen kann. Er muss Sachkenntnis haben, bereit sein, die ganze Woche Tag und Nacht zur Verfügung zu stehen, aufs Privatleben verzichten, alle Landessprachen beherrschen, kommunikativ und am besten auch noch schön zum Anschauen, sexy und immer fröhlich sein.»
Bei sich selber hat Petra Gössi zumindest in einem Bereich Verbesserungspotenzial identifiziert: Sollte sie tatsächlich dereinst das freisinnige Schiff durch die Schweizer Politlandschaft navigieren, würde sie ihre Französischkenntnisse aufpolieren, erklärte sie gestern.