Der Churer Bischof Vitus Huonder sieht in der aktuellen Flüchtlingssituation vor allem die Kirchgemeinden und Kantonalkirchen in der Pflicht. Mehrere Kantonalkirchen haben sich bereits engagiert und Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, wie eine Umfrage zeigt.
Die Kirchgemeinden und Kantonalkirchen verfügen laut Huonder über die Einnahmen aus der Kirchensteuer von total einer Milliarde Franken pro Jahr. Diese Milliarde Franken sieht er als materielle Grundlage, um Flüchtlingen zu helfen, wie der 73-jährige Oberhirte der Diözese Chur am Donnerstag mitteilte. Der Bischof schrieb weiter, er hoffe auf ein grosszügiges Engagement der staatskirchenrechtlichen Organisationen.
In der Mitteilung listet Huonder auf, wo sich das Bistum bereits für Flüchtlinge einsetzt. Erwähnt wird, dass eine kirchliche Stiftung in Schluein dem Kanton Graubünden ein Gebäude vermietet. Zudem würden vom Churer Domkapitel auf dem Bischöflichen Hof in Chur sowie in Landquart Wohnungen für Menschen aus Eritrea und Syrien zur Verfügung gestellt.
Auch in anderen Kantonalkirchen sind Bemühungen im Gang, Wohnraum für Flüchtlinge zu finden oder andere Möglichkeiten für Hilfeleistungen zu erörtern, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur sda zeigt.
In der Urschweiz, ebenfalls Teil der Diözese Chur, läuft laut Angaben des Bistums eine Umfrage in den Pfarreien, um für Flüchtlinge Wohnraum und andere Formen von Unterstützung zu finden. Zudem würden im Kloster Cazis GR Flüchtlinge untergebracht und begleitet.
Im Kanton Zürich forderte der Synodalrat und der Generalvikar der Katholischen Kirche die Kirchgemeinden ebenfalls auf, Wohnraum für Flüchtlinge bereit zu stellen. In einem ersten Schritt beschlossen sie, im früheren Sitz der Weihbischöfe an der Zürcher Schienhutgasse dem Kanton eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Die Räume sollen vorab für die Dauer von zwei Jahren einer Flüchtlingsfamilie Unterkunft bieten.
Felix Gmür, der Bischof des Bistums Basel, ging selbst mit gutem Beispiel voran. Er kündigte an, bei sich im Schloss Steinbrugg in Solothurn Asylsuchende aufzunehmen. Insgesamt drei Familien à je rund vier Personen sollen im Bistum-Hauptsitz ein vorläufiges Zuhause finden.
Im Bistum Basel gibt es zudem zahlreiche Pfarreien, Kirchgemeinden und Klöster, die Flüchtlinge aufnehmen respektive diesen Räume zur Verfügung stellen. Angesichts der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise seien es laufend mehr, sagte der Bistumssprecher Hansruedi Huber auf Anfrage.
Das Kloster Einsiedeln beherbergt derzeit gut zwei Dutzend Flüchtlinge. Auch das Kloster Baldegg stellt seit Januar sein Gästehaus einer 9- und einer 7-köpfigen Flüchtlingsfamilie aus Syrien zur Verfügung, wie die zuständige Schwester Nadja Bühlmann auf Anfrage sagte.
In der Stadt Luzern stellt die Katholische Kirche seit Donnerstag einer vierköpfigen Flüchtlingsfamilie aus Tschetschenien eine 4,5-Zimmer-Wohnung im Pfarrhaus zur Verfügung. Unter anderem haben auch die Luzerner Kirchgemeinden Ettiswil und Werthenstein Pfarrhäuser und Wohnungen für Flüchtlinge geöffnet.
Im Aargau hatte die Römisch-Katholische Landeskirche bereits im Mai eine Unterkunft für Asylsuchende dem Kanton zur Verfügung gestellt. Im Haus an der Laurenzenvorstadt in Aarau leben bis Ende 2016 rund 15 Asylsuchende. Ohne diese Zwischennutzung wäre das Haus leer gestanden.
Gemäss Angaben des bischöflichen Ordinariats dürfen Flüchtlinge zudem etwa auch in Aarburg und Wohlen kirchliche Infrastrukturen zum Wohnen nutzen. In Lenzburg stellt die reformierte Kirchgemeinde eine Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie zur Verfügung. Beide Landeskirchen hatten die Kirchgemeinden aufgerufen, leerstehende Wohnungen und Räume zu melden.
In Basel wird das Sigristenhaus der Heiliggeistkirche von Flüchtlingen bewohnt. Zudem nahmen einzelne Seelsorger Hilfesuchende privat auf.
Auch in der Westschweiz kümmern sich die Kirchen um die Flüchtlingsbetreuung. Am Donnerstag fand am Sitz des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg eine Sitzung statt, in der die Frage der Aufnahme von Schutzsuchenden beraten wurde.
Für Freitag war ein Aufruf an die Pfarreien vorgesehen, damit diese die Aufnahme von Flüchtlingen prüfen und dem Kanton entsprechende Vorschläge machen.
sda