52 Männer und 18 Frauen haben sich für den Posten als «Männerbeauftragter» beworben. Am Freitag tritt der Neue sein Amt an. Seine Chefin verrät, was ihn erwartet.
Die Schlagzeilen waren gross, die Amtsdauer kurz. Im Juli 2012 setzte der Kanton Zürich den ersten staatlichen Männerbeauftragten schweizweit ein – einige behaupten gar weltweit. Doch Markus Theunert (siehe Kasten) kündigte den Job bereits nach drei Wochen. Hintergrund war eine Stellungnahme des Verbandes Männer.ch, den Theunert präsidiert. Unter bestimmten Umständen sollen Fachleute an Schulen Pornos zeigen dürfen, hiess es darin. Nach einem Sturm der öffentlichen Entrüstung forderte ihn sein Arbeitgeber auf, das Doppelmandat aufzugeben. Theunert lehnte ab – und ging. Am kommenden Freitag tritt sein Nachfolger die Stelle an. Edgar Frey (47) lebt in Zürich, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.
Helena Trachsel, Sie leiten die Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zürich. Warum wagen Sie einen zweiten Versuch mit einem Männerbeauftragten? Richtet sich das Angebot des Gleichstellungsbüros nicht per se an beide Geschlechter?
Helena Trachsel*: Doch. Das Gleichstellungsbüro arbeitet für beide Geschlechter. Und gerade darum ist es für mich sonnenklar, dass in der Fachstelle auch beide Geschlechter vertreten sein müssen. Auf «normale» Stellenausschreibungen melden sich aber nie Männer, auch wenn wir explizit auch Männer anschreiben. Sie finden die Arbeit in einem Gleichstellungsbüro nicht attraktiv, den Lohn zu tief und die Karriereaussichten zu beschränkt.
Dann haben Sie getrickst, die Stelle mit einem neuen Titel versehen, und schon melden sich die Männer?
Trachsel: Es war nicht ein Trick, sondern eine Marketingidee. Die Bezeichnung «Männerbeauftragter» macht die Stelle sichtbarer und attraktiver. Das hat funktioniert. Es haben sich 52 Männer und 18 Frauen beworben. Für mich war aber klar, dass wir für diese Funktion einen Mann einsetzen.
Ist er der einzige männliche Vertreter in der Fachstelle?
Trachsel: Nein, wir haben einen 22-jährigen Mann im Team. Und wir sind vier Frauen.
Im Interview mit dem «Tagesanzeiger» sagt Edgar Frey, er wolle unter anderem bei der Chancenvielfalt an Schulen und Berufsschulen ansetzen. Wo sehen Sie bei den Männern Handlungsbedarf?
Trachsel: Wir wollen junge Menschen dazu ermuntern, das zu machen, was ihnen Freude bereitet, auch wenn es nicht den gängigen Vorbildern und Rollenmodellen entspricht. Buben brauchen mehr Mut, sich für Berufe im pädagogischen, gestalterischen oder im Gesundheitsbereich zu entscheiden. Genauso braucht es bei den Mädchen Mut, einen technischen Beruf zu erlernen.
Junge Frauen wählen häufiger Berufe, wo Lohn- und Karriereaussichten tief sind. Bei Buben ist dies weniger der Fall. Warum brauchen auch sie die Unterstützung?
Trachsel: Ein junger Mann, der nicht «etwas Sinnvolles» wie Ökonomie studiert oder ein gutes Handwerk lernt, muss sich behaupten. Für sie kann der neue Männerbeauftragte ein guter und glaubwürdiger Ansprechpartner sein. Es geht unter anderem darum, den jungen Männern aufzuzeigen, dass sie mit diesem oder jenem Beruf vielleicht nicht der Haupternährer einer Familie werden können. Sie müssen sich aber auch fragen, ob sie denn die Verantwortung des Haupternährers überhaupt tragen wollen.
Um welche weiteren männerspezifischen Probleme wird sich Edgar Frey kümmern?
Trachsel: Er selbst sagt es schön: Der Mann leidet an seinem Lebensentwurf. Viele Männer, die sich bei uns zur Beratung melden, fühlen sich in ihrer Männer-Vater-Ernährerrolle eingeengt. Der Männerbeauftragte wird sich dafür einsetzen, dass flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeitarbeit und Homeoffice, sprich die Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, auch für Männer möglich wird.
Eine Scheidung ist für viele Männer nicht nur aus emotionaler, sondern auch aus finanzieller Sicht ein Desaster. Was kann der Männerbeauftragte hier bewirken?
Trachsel: Bei den Paaren, die jetzt bereits in den Scheidungsverhandlungen sind, kann er nichts mehr ausrichten. Seine Arbeit setzt früher an, eben zum Beispiel bei der Berufswahl. Wenn Frauen vermehrt Berufe wählen, bei denen sie ein anständiges Einkommen erzielen, werden sie durch eine Scheidung auch nicht abhängig vom Mann. Und der Mann wird nicht in die Bezahlerecke gedrängt. Das gleiche gilt für die Kinderbetreuung. Hat sich ein Paar schon vor einer Trennung Haushalt und Betreuung geteilt, ist das auch nachher einfacher möglich.
Die «Sonntagszeitung» berichtete vor kurzem, dass immer mehr Männer im einzigen Schweizer Männerhaus Zuflucht vor häuslicher Gewalt suchen. Wird der Männerbeauftragte auch in diesem Bereich aktiv?
Trachsel: Für Beratungen und Veranstaltungen zum Thema sowie bei konkreten Fällen ist die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt zuständig.
Wie erklären Sie sich die Zunahme der Anfragen im Männerhaus? Ist es für Männer einfacher geworden, sich einzugestehen, dass sie geschlagen werden, dass sie Opfer sind?
Trachsel: Mein persönlicher Eindruck aus den Beratungen ist, dass das Bewusstsein bei den Männern zugenommen hat, ja. Männer haben über viele Jahre gelernt, einzustecken. Lange galt, dass ein richtiger Kerl auch Schläge und Missachtung ertragen kann. Man sprach nicht darüber. Vor drei Jahrzehnten hat hier ein langsames Umdenken eingesetzt. Bereits in den 80er-Jahren hat der Schweizer Soziologe Walter Hollstein intensiv über Männer und ihre Lebensentwürfe geforscht und publiziert.
Der erste Männerbeauftragte hat nach nur drei Wochen gekündigt. Haben Sie jetzt den richtigen Mann für den Job gefunden?
Trachsel: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass auch Markus Theunert der richtige Mann gewesen wäre. Allerdings wollte er nicht auf sein Doppelmandat verzichten, darum hat er gekündigt. Sein Nachfolger kommt aus der Privatwirtschaft und hat keine Interessenbindungen. Mit seinem beruflichen Hintergrund, er war Lehrer, Profitänzer und Personalfachmann, ist er ein sehr glaubwürdiger Ansprechpartner für Männerfragen. Die Wahl war sicher richtig.
Hinweis
* Helena Trachsel ist Leiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zürich.