Gestern startete die Bauherrin Alptransit offiziell die Testphase im Gotthard-Basistunnel. Bis Passagiere in die Röhre dürfen, wird sie 5000 Mal getestet.
Deborah Stoffel
Die Geschichte des Gotthard-Basistunnels dauert schon lange. So lange, dass man kaum glauben mag, dass es nur noch 228 Tage dauern soll, bis man über die neue Route ins Tessin fahren kann, mit 25 Minuten Zeitersparnis. Der Bau des Tunnels wurde 1992 per eidgenössischer Abstimmung beschlossen. 64 Prozent sagten damals Ja zur Neuen Alpentransversale (Neat). Sechs Jahre später stimmte das Volk einer leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe und der Modernisierung der Bahn zu und stellte so auch die Finanzierung der Neat sicher.
Die Vertreter von Alptransit, Transtec und der SBB waren sichtbar stolz, als sie gestern in Poleggio den Beginn der Testfahrten durch den Tunnel ankündigten. Es herrschte eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität – fast wie am Weihnachtsabend. «Seit dem Durchbruch vor 10 Jahren ist der Teststart das wichtigste Ereignis», sagte Renzo Simoni, der Vorsitzende der Alptransit-Geschäftsleitung. Bis Ende Mai 2016 will die Alptransit 5000 Mal durch den Tunnel fahren, um zu prüfen, ob alle Systeme funktionieren und die neue Röhre sicher ist. Denn mit der Eröffnungsfeier am 1. Juni 2016 geht die Verantwortung für den Tunnel von der Alptransit an die SBB über. Dann werden zwei Züge mit den ersten Passagieren durch den Tunnel fahren, je 500 Wettbewerbsgewinner von Nord nach Süd und in die Gegenrichtung.
Der dritte Partner, Transtec, hat im Tunnel die Bahntechnik eingebaut. Dazu gehören etwa die Stromversorgung, die Telekommunikation mit Festnetz und Funk und die Sicherungsanlagen. Der Tunnel ist ganz mit dem Sicherungssystem ETCS 2 ausgestattet, das die Züge per Funk ständig mit der Bahnzentrale verbindet. Damit sei der Tunnel «zehnmal sicherer» als das ganze Schweizer Bahnnetz, sagte Simoni. Im Tunnel hat Transtec zudem über hundert Kameras installiert. Auch während der Testphase bleibt die Aufgabenteilung klar: Die Alptransit ist für die Fahrten zuständig, während Transtec den letzten Feinschliff an den technischen Anlagen macht und die Mitarbeiter im Tunnel schult. Bis Ende Mai sind für die Testfahrten und das Erhalten noch 460 Angestellte im Einsatz. Der Arbeitsplan des 24-Stunden-Betriebs ist dicht getaktet, eine Schicht dauert für ein Testteam jeweils 10 bis 12 Stunden, während denen jeweils 10 Testfahrten durchgeführt werden. Ab Mitte Dezember wird das Tempo von anfangs 160 Kilometern pro Stunde langsam bis auf die maximalen 275 Stundenkilometer gesteigert.
Der Gotthard-Basistunnel hat einen täglichen Strombedarf, der dem einer Stadt mit 20 000 Einwohnern entspricht. Für den Fall, dass ein Zug im Tunnel stillsteht, muss der Tunnel höchste Sicherheitsstandards erfüllen.
Seit der Abstimmung über die Neat 1992 sind diese Standards noch strikter geworden. So legte man den Abstand zwischen den sogenannten Querschlägen, welche die zwei Tunnelröhren verbinden, zuerst auf 650 Meter fest, halbierte ihn dann auf 325 Meter, nachdem 1999 ein Feuer im Mont-Blanc-Tunnel 39 Todesopfer gefordert hatte. Der Gotthard-Basistunnel hat nun 176 Querschläge.
Hinaus aus dem Tunnel gelangt man auf der Höhe von Sedrun und Faido, wo je eine Zentrale eingerichtet ist. Von dort wird während der Testphase noch kalte Luft in den Tunnel geblasen, damit die Temperatur, die normalerweise an der heissesten Stelle im Gotthardmassiv 48 Grad Celsius beträgt, nie über 40 Grad Celsius steigt. «Sobald die Züge regelmässig fahren, ist die Kühlung nicht mehr nötig», sagt Stephan Aerni. Der Zug schiebt dann kalte Luft von draussen in die Röhre und reguliert damit die Temperatur.
Der Gotthard-Basistunnel verkürzt nicht nur die Reisezeit von Luzern nach Lugano um 25 Minuten. Sobald der Ceneri-Tunnel 2020 fertiggestellt und die Zufahrtsstrecken für Güterzüge mit einer Höhe von vier Metern ausgebaut sind, können 260 Güterzüge pro Tag den Tunnel passieren. Das sind 100 mehr als heute. Man rechne damit, dass die Nachfrage bis 2035 entsprechend ansteige, sagte Peter Jedelhauser von den SBB gestern. Simoni von der Alptransit ergänzte: «Natürlich hoffen wir, dass die Nachbarländer nachziehen, damit bald auch die Verbindungen zu Italien und Deutschland schneller werden.»