Mit schrillen Tönen kämpft die Waffenlobby-Organisation Pro Tell gegen die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie. Die Offiziersgesellschaft geht auf Distanz – und sie ist damit nicht allein.
Unrecht, freiheitsfeindlich, nutzlos, antischweizerisch. Mit diesen Schlagworten will die Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz (IGS) die Anpassung des Waffengesetzes an EU-Richtlinien bodigen. Am vehementesten gegen die Neuerung kämpft die Organisation Pro Tell, eines von 14 Mitgliedern der IGS.
Zu spüren bekam dies vor wenigen Tagen der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann. Nachdem er auf Twitter geschrieben hatte, die Gegner der Revision wollten offenbar, dass «Waffennarren und Terroristen» weiterhin ohne Einschränkung Sturmgewehre kaufen könnten, wurde er von Pro-Tell-Generalsekretär Robin Udry hart attackiert. Nordmanns Argumente seien eines Nationalrats nicht würdig, schrieb Udry sinngemäss. Mühe mit den forschen Tönen, die Pro Tell anschlägt, bekundet die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG). Sie gehört zwar nicht der IGS an, nimmt aber als Sympathisantin an deren Sitzungen teil. Gemäss SOG-Präsident Stefan Holenstein haben es die Schützen verpasst, sich gegen Pro Tell durchzusetzen und die Themenführerschaft zu übernehmen. Holenstein hält zwar fest: «Wir tragen das Anliegen der Schützen mit.» Doch der SOG-Vorstand will das Referendum gegen die Waffenrechtsrevision nur passiv unterstützen.
Zwischen Pro Tell und der SOG herrscht deswegen dicke Luft. Der Walliser SVP-Nationalrat und Pro-Tell-Präsident Jean-Luc Addor drohte gar, aus der Unterwalliser Offiziersgesellschaft auszutreten, wenn die SOG nicht klar Stellung beziehe. Die Offiziere beeindruckte das wenig: Die meisten der 40 SOG-Mitgliedorganisationen wollten weder Unterschriften sammeln noch das Referendum finanziell oder anderweitig aktiv unterstützen. Vielmehr sprachen sich in einer Konsultativabstimmung 80 Prozent für den Vorschlag der passiven Unterstützung aus. Addor bedauert die Zurückhaltung zwar, macht seine Drohung aber nicht wahr: «Ich werde nicht zurücktreten.» Dies, weil einige kantonale Offiziersgesellschaften den Kampf gegen die Waffenrichtlinie proaktiv aufnehmen wollen. Das gilt etwa für diejenigen der Kantone Schwyz und Zug.
Addors Vorgänger als Pro-Tell-Präsident, Hans-Peter Wüthrich, hat Verständnis für die Zurückhaltung der SOG. Pro Tell sei «in gewissen Bereichen des Waffenrechts zu extrem». Deshalb sei sie nicht die richtige Organisation, um den Abstimmungskampf glaubwürdig zu führen, sagt er. Die Offiziersgesellschaft ist nicht die einzige Organisation, die sich nur halbherzig zum Referendum bekennt. Auch Jagd Schweiz will trotz Mitgliedschaft in der Interessengemeinschaft passiv bleiben. Präsident Hanspeter Egli sagt: «Es gab in den kantonalen Jägerverbänden unterschiedliche Meinungen.» Für die Jäger würde sich mit der Gesetzesanpassung nichts ändern. Halbautomatische Waffen, die im Fokus der Richtlinie stehen, sind für die Jagd bereits heute nicht zugelassen.
An vorderster Front gegen das neue Waffengesetz kämpft der Schweizer Schiesssportverband. Die Revision enthalte mehrere Punkte, die das Schweizer Schützenwesen in seinem Mark treffen und den Breitensport gefährden würden. Der Verband stört sich unter anderem daran, dass Schützen für den Kauf von halbautomatischen Waffen mit grosser Magazinkapazität Mitglied in einem Schützenverein sein oder regelmässig schiessen müssten. Beim Bündner Schiesssportverband relativiert man die Argumentation des Dachverbandes. Präsident Carl Frischknecht hält fest, die Verschärfung des EU-Waffenrechts beinhalte nach der Beratung im Parlament «sehr viele Ausnahmeregelungen». Aus seiner Sicht bringe die Änderung für aktive Schützen nur «geringfügig einschneidende Massnahmen». Der Kantonalverband unterstütze das Referendum aber – insbesondere aus Solidarität mit dem Dachverband.
Der Präsident der IGS, Luca Filippini, will nichts von inneren Konflikten wissen: «Wir ziehen nicht nur alle am selben Strick, sondern sind auch auf Kurs.»