In der Schweiz steigt die Zahl derjenigen, die den assistierten Suizid wählen, kontinuierlich. Haben sich um die Jahrtausendwende jährlich lediglich rund 100 Menschen für die Sterbehilfe entschieden, sind es mittlerweile um die 1000.
Gestern hat in Uster eine aufsehenerregende Gerichtsverhandlung begonnen. Auf der Anklagebank sass Ludwig A. Minelli, Gründer der Sterbehilfeorganisation Dignitas. Minelli musste sich verantworten, weil er zu viel Geld für seine Dienste angenommen haben soll. Ein Gewinnstreben im Geschäft mit dem Tod dürfe es aber nicht geben, sagte der Staatsanwalt. Der 85-Jährige wehrte sich mit dem Argument, dass eine Freitodbegleitung viel mehr koste, als die Staatsanwaltschaft annehme.
Jürg Wiler, Chef Kommunikation der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit, nennt konkrete Zahlen, wie viel ein Freitod durch seine Institution kostet. «Im Durchschnitt muss für eine Freitodbegleitung rund 7000 Franken aufgewendet werden. Der Betrag kann aber individuell variieren», erklärt Wiler. 2009 hat der Zürcher Regierungsrat als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage die Kosten beim begleiteten Suizid bei bis zu 10 000 Franken als nicht bereichernd taxiert. Minelli erhielt bei einem Vorgang 2003 von einer 80-Jährigen 100 000 Franken. Bis gestern Abend war in diesem Fall kein Urteil gesprochen.
Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz grundsätzlich nicht strafbar, solange keine, wie in der Anklage in Uster erhoben, eigennützigen Motive dahinterstehen. Beim assistierten Suizid geht es darum, dem Patienten die tödliche Substanz zu vermitteln, die dieser selber einnimmt. Organisationen wie Exit leisten Suizidbeihilfe in diesem gesetzlichen Rahmen. In der Schweiz steigt die Zahl derjenigen, die den assistierten Suizid wählen, kontinuierlich. Haben sich um die Jahrtausendwende jährlich lediglich rund 100 Menschen für die Sterbehilfe entschieden, sind es mittlerweile um die 1000. Im gleichen Zeitraum sank die Suizidrate. Je älter die Menschen sind, desto häufiger entschliessen sie sich für den begleiteten Suizid (siehe Grafik). International hat das Thema kürzlich für Schlagzeilen gesorgt. Mitte Mai liess sich der 104-jährige Australier David Goodall mit einer Natrium-Pentobarbital-Infusion in Liestal töten. Zu reden gab der Fall deshalb, weil Goodall keine tödliche Krankheit hatte. «Lebenssatten bieten wir keine Hilfe. Ein Spezialfall ist der Altersfreitod, der bei uns rund ein Viertel der assistierten Suizide ausmacht», sagt Jürg Wiler von Exit.
Dabei müssen bei Hochbetagten mehrere schwerwiegende Gebrechen festgestellt werden, die zusammen grosses Leid verursachen. Und das müssen wiederum Ärzte bestätigen. Die Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften ist gerade dabei, ihre Richtlinien unter dem neuen Titel «Umgang mit Sterben und Tod» zu revidieren. Auf Anfrage verweist sie darauf, dass die finale Fassung noch nicht stehe. Bisher lehnte sie den Altersfreitod jedoch ab.