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Schweiz
Die Nationalbank wird das Jahr mit einem Gewinn von über 30 Milliarden Franken abschliessen. Damit erhalten Bund und Kantone nun doppelt so viel Geld.
Daniel Zulauf
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat das Prachtergebnis aus dem dritten Quartal ins Trockene gebracht und wird am 9. Januar einen Jahresgewinn von über 30 Milliarden Franken ausweisen. Damit werden sich der Bund und die Kantone die erhoffte zweite Milliarde als Gewinnanteil aufteilen können. Der Topf, aus dem die Nationalbank das Geld für diese Ausschüttung entnimmt, enthält bereits 20 Milliarden Franken. Somit wird die Reserve nach der Verteilung des aktuellen Jahresgewinns auf mehr als 40 Milliarden Franken anschwellen.
Die Ausgangslage für das kommende Jahr ist dementsprechend komfortabel: Die im Herbst 2016 zwischen Bund und Nationalbank erneuerte Vereinbarung sieht zwar im Prinzip eine jährliche Ausschüttung von nur einer Milliarde Franken vor, sofern das dafür nötige Geld vorhanden ist. Liegen aber mehr als 20 Milliarden Franken in der Ausschüttungsreserve, fliesst, wie heuer, die zweite Milliarde.
Mit einem solchen Zustupf gerechnet hat nur Charles Juillard, Finanzdirektor des Kantons Jura und Präsident der Schweizerischen Finanzdirektorenkonferenz. Dessen Kollegen stellten bloss das Minimum oder gar nichts (Schwyz, Schaffhausen, Wallis) ins Budget ein. Eine Umfrage unserer Zeitung unter allen Säckelmeistern im Land zeigt deutlich: Die Kantone wissen mit den Nationalbank-Milliarden haushälterisch umzugehen. Entgegen dem verbreiteten Bild wecken die Milliarden zumindest in den Finanzabteilungen der kantonalen Verwaltungen kaum besondere Begehrlichkeiten.
Die kantonalen Finanzdirektoren unterstreichen ihren vorsichtigen Umgang mit den Gewinnanteilen der Nationalbank auch in ihren Antworten auf die Frage, wozu sie das Geld verwenden wollen. Zwölf Kantone nehmen die hochwillkommenen Mittel ohne vordefinierte Zweckbestimmung entgegen. Neun Kantone wollen sie zur Deckung laufender Defizite einsetzen. Ein Kanton (Waadt) hat sie für den Abbau von Schulden und ein anderer (Thurgau) zur Finanzierung von Investitionen vorgesehen (siehe Grafik).
Bemerkenswert ist die Enthaltsamkeit der Kantone auch vor dem Hintergrund des schwieriger gewordenen Umfeldes. Während die Einnahmen vielerorts rückläufig sind, bleiben die Ausgaben hoch oder nehmen sogar zu. Zwar budgetieren mehr als die Hälfte der Kantone für 2018 mit einem Überschuss oder mit einem ausgeglichenen Haushalt. Doch hier und dort greift man dafür auf Sondermassnahmen wie die Auflösung von Reserven (Zug) zurück. Mittelfristig sehen einzelne Kantone keinen anderen Weg, als auf das besonders unbeliebte Mittel einer Steuererhöhung (Aargau) zurückzugreifen. Viele Kantone, die jetzt einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren, mussten sich diesen in den vergangenen Jahren mit teilweise harten Sparübungen erarbeiten. Weiter gespart werden muss auch in der Zukunft, zum Beispiel in Bern, Zug, Uri, Luzern oder Genf.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird auch die vom Bundesrat im September in die Vernehmlassung geschickte Steuervorlage 17 – das Nachfolgeprojekt zur gescheiterten Unternehmenssteuerreform III – für manche Kantone erhebliche Zusatzlasten nach sich ziehen. Wenig erstaunlich ist deshalb, dass die Finanzdirektoren auf ihrem Anteil an den Nationalbank-Gewinnen beharren. «Die 32 Millionen Franken, die wir von der Nationalbank erhalten, sind für den Kanton Luzern unentbehrlich», sagt beispielsweise der Luzerner Finanzdirektor Marcel Schwerzmann. Insgesamt elf Kantone bezeichnen die jährliche Ausschüttung als «unentbehrlich». Für 12 Kantone ist sie mindestens «wichtig». Und in keinem der 23 Kantone, die auf unsere Fragen geantwortet haben, mag man auf das Geld der Notenbank verzichten. Genau das war im Jahr 2013 der Fall gewesen. Ein Absturz des Goldpreises riss ein Loch in die Rechnung, sodass die Kantone zum ersten Mal nach über 100 Jahren auf ihre Auschüttung verzichten mussten. Auch der Bund, der seit 1991 ein Drittel der Nationalbank-Auschüttung erhält, musste die Schock-Diät über sich ergehen lassen.
Heuer waren die Märkte dem Noteninstitut aber wohlgesinnt. Der Löwenanteil des Gewinns kommt allerdings nicht von der Aufwertung des Goldbestandes, sondern von der Höherbewertung des Euro. Von über 760 Milliarden Franken, welche die SNB als Devisenanlagen auf der Bilanz führt, sind 40 Prozent in Euro denominierten Anlagen platziert. Rund 35 Prozent sind in Dollar-Papieren und der Rest in anderen Währungen wie Pfund oder Yen angelegt. Der Abbau der Überbewertung des Frankens habe sich fortgesetzt, aber der Franken sei weiterhin hoch bewertet, hielt die Nationalbank in ihrer Lagebeurteilung vom 14. Dezember fest: «Die Abwertung des Frankens widerspiegelt, dass sichere Häfen zurzeit weniger gesucht sind. Diese Entwicklung ist aber noch fragil.»
Allein die Aufwertung des Euro zum Franken hat der Nationalbank im zurückliegenden Jahr einen Gewinn von über 30 Milliarden Franken beschert. Hinzu kamen beträchtliche Gewinne auf den Aktienbeständen, die 20 Prozent der Fremdwährungspositionen repräsentieren. Diese Gewinne waren weit üppiger als die Kursverluste auf einigen Obligationenanlagen und die Wechselkursverluste auf Dollar-Beständen. Der Anstieg des Goldpreises trug immerhin noch geschätzte drei Milliarden Franken zum diesjährigen Nationalbank-Gewinn bei.
Ein 30-Milliarden-Franken-Gewinn wird zwar immer die Ausnahme bleiben. Und starke Schwankungen, wie sie die Entwicklung der Wechselkurse und der Finanzmärkte bewirken können, wird man auch in Zukunft sehen. Doch die immens hohe Bilanzsumme lässt erwarten, dass die Nationalbank in der Zukunft regelmässig hohe Gewinne ausweisen wird. Ökonomen schätzen das durchschnittliche jährliche Gewinnpotenzial der Schweizerischen Nationalbank auf mindestens 15 Milliarden Franken.