Der Umzug der Rotschals am Sonntag in Paris lässt darauf schliessen, dass die meisten Franzosen genug haben von den nicht abreissenden Gewaltprotesten.
In Frankreich, dem Land der grossen Revolution, entscheiden sich politische Kämpfe nicht nur an den Wahlurnen, sondern auch auf der Strasse. Dort demonstriert längst nicht nur die Linke: 1984 bremste ein Monsterumzug von einer Million Befürworter der katholischen Privatschulen den sozialistischen Elan von Präsident Mitterrand. Gestern Sonntag zogen einige tausend von «roten Schals» an die Pariser Bastille, um gegen die wöchentlichen Gelbwesten-Krawalle zu protestieren.
«In den sozialen Medien gelten die Rotschals als Helfershelfer von Emmanuel Macron.»
Dem Aufruf war kein überwältigender Erfolg beschieden. In den sozialen Medien gelten die Rotschals als Helfershelfer von Emmanuel Macron. Der französische Präsident hatte in der Bevölkerung viel Kredit verspielt. Nun versucht er, die Wut der Proteste in eine «nationale Debatte» umzuleiten. Der Erfolg ist alles andere als garantiert – auch wenn sich die präsidialen Umfragewerte wieder leicht bessern.
Obschon der Umzug der Rotschals wenig imposant war, lässt er darauf schliessen, dass die meisten Franzosen genug haben von den nicht abreissenden Gewaltprotesten. Denn sie sind Gift für die Wirtschaft Frankreichs und das Image des Reiselandes. Die «foulards rouges» wollen gesittete demokratische Abläufe. Deshalb halten sie auch an ihrem gewählten Präsidenten fest. Allerdings weniger wegen Macron selbst, sondern des zivilen Friedens willen: Insofern darf sich der Staatschef keiner Illusion hingeben. Den endlos scheinenden Aufstand verarmter Bürger an der Landesperipherie hat er noch längst nicht gemeistert.