Mörgelis freier Umgang mit einem Zitat

Christoph Mörgeli tritt heute vor allem als «Weltwoche»-Autor in Erscheinung. Als solcher hat der ehemalige SVP-Nationalrat kürzlich bei einem vier Jahre alten Text abgeschrieben, ohne dies zu deklarieren.

Tobias Bär
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Journalist und Ex-SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. (Bild: Alessandro Crinari/Keystone (Bellinzona, 25. Juli 2018))

Journalist und Ex-SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. (Bild: Alessandro Crinari/Keystone (Bellinzona, 25. Juli 2018))

«Asylgrund schwul» – so lautet der Titel eines Artikels, den der einstige Zürcher SVP-Nationalrat und heutige Redaktor Christoph Mörgeli in der «Weltwoche»-Ausgabe vom 23. August publizierte. Auf dem Titelblatt des Wochenmagazins wurde der Text mit dem Zusatz «Neuer Migrationsschlager» angepriesen. Mörgeli schreibt im Artikel, dass sich bei Asylanträgen die Verweise auf eine wirkliche oder vorgebliche Homosexualität «deutlich vermehrt» hätten. Als Beleg zitiert er Liselotte Barzé-Loosli, Leiterin der Fachgruppe Geschlechtsspezifische Verfolgung im Staatssekretariat für Migration (SEM): In den vergangenen Jahren habe die Zahl homosexueller Flüchtlinge «klar zugenommen». Nur: Barzé-Loosli wurde von Mörgeli für den Artikel nicht kontaktiert, wie das SEM auf Anfrage schreibt.

Mörgeli hat das Zitat aus einer Diplomarbeit aus dem Jahr 2014 übernommen. In den vergangenen fünf bis acht Jahren habe die Zahl der homosexuellen Asylsuchenden «klar zugenommen», wird Barzé-Loosli dort zitiert. Mörgeli erwähnt die Di­plomarbeit und deren Autor (der auch Verfasser dieses Artikels ist) zwar, aber erst im nächsten Abschnitt und in einem anderen Zusammenhang. Entgegen der journalistischen Gepflogenheiten hat Mörgeli ein Zitat übernommen, ohne die Quelle kenntlich zu machen. Ein Zitat notabene, das mehr als vier Jahre alt ist. Und trotzdem als einziger Beleg für die These, wonach es sich beim Fluchtgrund Homosexualität um einen «neuen Migrationsschlager» handle, herhalten muss. In Tat und Wahrheit ist die Zahl der Asylanträge im Zusammenhang mit LGBTI (die Abkürzung steht für lesbisch, schwul, bisexuell, Transgender, Intersex) nach einem Anstieg zu Beginn des Jahrzehnts konstant geblieben, wie das SEM festhält.

Mörgeli spricht von einer «Bagatelle»

Mörgeli erklärt auf Anfrage, er sei vom SEM umfassend informiert worden. «Journalistisch wäre es perfekter gewesen, ich hätte beim Kurzzitat von Barzé-Loosli noch das Jahr 2014 eingesetzt.» Diese Bagatelle rechtfertige aber kaum einen Grosskampf gegen seinen Artikel. Vorwürfe rund um seine Arbeitsweise musste sich Mörgeli bereits 2013 gefallen lassen. Damals kam eine internationale Expertenkommission zum Schluss, dass die vom Medizinhistoriker Mörgeli an der Universität Zürich betreuten Disser­tationen «häufig mangelhaft waren». Grund dafür sei die ungenügende Betreuung der Doktorierenden. Im Herbst 2012 war Mörgeli als Oberassistent und Kurator des Medizinhistorischen Museums per sofort freigestellt worden. Gemäss dem Zürcher Verwaltungsgericht war die Entlassung unrechtmässig.

Nach den Negativschlagzeilen wurde Mörgeli im Herbst 2015 von den Zürcher Stimmberechtigten nicht mehr in den Nationalrat gewählt. Seither schreibt er als Redaktor für die «Weltwoche», die Publikation seines SVP-Parteikollegen und Nationalrats Roger Köppel. Dieser musste 2015 einräumen, dass einer seiner Autoren «grösstenteils und ohne Quellenangaben aus anderen Zeitungen abgeschrieben» habe. Ein Jahr später deckte die NZZ auf, dass sich der bereits mehrfach des Plagiats überführte Autor Tom Kummer für «Weltwoche»-Artikel erneut bei anderen bedient hatte. Köppel hielt daraufhin fest, die «Weltwoche» toleriere keine journalistischen Fehlleistungen.