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Schweiz
Am Samstag hat die Kundgebung des Aktionsbündnisses der Urkantone stattgefunden. Die Demonstranten sprachen von ihren Zweifeln, versuchten Impfungen und Verbrechern.
Eine halbe Stunde vor der Kundgebung ist noch nicht viel los auf dem Lehn in Altdorf. Just an jenem Ort, an welchem Gessler seinen Hut zur Unterdrückung der Urner hingehängt haben soll, wird gegen die Coronamassnahmen des Bundes demonstriert. Doch nicht nur an diesem Standort, auch in Sarnen, Stans und Schwyz führt das Aktionsbündnis bewilligte Demonstrationen gegen die «Corona-Willkür» durch. Ein Helfer wird sagen, dass Nazibinden im Gegensatz zu den Masken harmlos sind. Aber dazu später mehr.
Der Anlass hat bereits im Vorfeld für Schlagzeilen gesorgt. Denn: Das Verwaltungsgericht hatte die Schwyzer Regierung zurückgepfiffen und so die Maskenpflicht für Redner aufgehoben. Zudem beschränkte die Schwyzer Regierung die Teilnehmerzahl auf 400 Personen.
Bis zu Beginn der Kundgebung finden sich 1300 Personen an den Standorten in Uri, Schwyz, Nidwalden und Uri ein, 600 weitere schalten den Live-Stream ein. Bereits zehn Minuten vor Beginn, der Lehnplatz hat sich zwischenzeitlich etwas mehr gefüllt, sagt Barbara Stadler, Sekretärin des Bündnisses, die Zuschauer sollen sich in die Abschrankungen bewegen. Sie erinnert an die Maskenpflicht, diese sei zur Sicherheit von allen. «Jene mit einem Attest sollen bitte die Abstände wirklich einhalten», mahnt sie. Es gehe um Anstand und Respekt.
Zeitgleich versammeln sich am Hauptplatz in Schwyz rund 400 bis 450 Personen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer in Schwyz trägt die Maske trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Organisatoren nicht. Die Schwyzer Polizei, die mit einem grossen Aufgebot vor Ort ist, macht Kontrollen und führt auch mehrere Personen ab. «Ich gehe davon aus, dass die anderen Personen, die keine Masken trugen, ein Attest hatten», wird Josef Ender, einer der Organisatoren im Aktionsbündis Urkantone, am Ende des Tages bilanzieren.
In Altdorf wird ebenfalls immer wieder an die Anwesenden appelliert, die Maske zu tragen. Der überwiegende Teil leistet Folge, auch wenn bei einigen die Maske unter die Nase oder unters Kinn rutscht.
Nachdem an allen Standorten zur selben Zeit «getrychelt» wurde, beginnen die Redner mit ihren Auftritten. René Bünter, der bis vergangenen Juni Schwyzer SVP-Regierungsrat war, eröffnet. «Ich bin kein Coronakritiker. Und ich bin vor allem kein Politiker. Sie können mir also glauben», erklärt er unter Applaus. Bundes- und Kantonsregierungen seien «Verbrecher». Er fordert die Politik auf, die «fehlgeleitete Corona-Politik sofort zu beenden und mit der geheuchelten Besorgnis für uns Bürger aufzuhören».
In Altdorf hört man gespannt zu. So etwa ein älterer Herr, der nicht in der dafür vorgesehenen Absperrung steht. Er sei zufällig hier vorbeigekommen. «Ich wusste gar nicht, dass das hier stattfindet», erzählt er. Während er seine beschlagene Brille an der Jacke abwischt, erörtert er seinen Standpunkt. Er sei nicht grundsätzlich gegen die Massnahmen.
Ich kann einfach nicht verstehen, warum Restaurants schliessen mussten, und in Zürich werden die Leute auf engem Raum in einen Bus gepfercht.
Unterdessen hat der Redner gewechselt. Musers Märtl, der als Muotathaler Wätterschmöcker bekannt ist, lässt wie die anderen Referenten kein gutes Haar an der herrschenden Politik. «Die in Bern haben wohl schon selbst den Verstand verloren», ist er überzeugt.
Die Voten von der Bühne decken sich mit den Aussagen auf den Plakaten, die in Schwyz – umrahmt von Trychler-Klängen – in die Höhe gehoben werden. «Covid-19-Impfung. Versuch am Menschen» heisst es etwa, oder «Wer schweigt, stimmt zu» bis «Wir sagen Nein zur CH-Diktatur». In Altdorf liest man Ähnliches. Es ist die Rede von «Wir wollen unsere Beizen zurück» oder «Beendet den Lockdown sofort».
In der Menge in Altdorf, die nicht im eingezäunten Bereich stehen, fällt einer besonders auf: Ein Mann um die 50 Jahre, der einen hohen Hut ähnlich jenem von Hugo Ball trägt, mit langem Bart und US-amerikanischer Herkunft. Er mahnt, man solle nicht blind der Regierung gehorchen. Darüber hinaus sei die Pandemie eine grosse Verschwörung und Bill Gates deren Anführer. In den Vakzinen seien Nano-Chips eingebaut, mit welchen die Regierung die Menschen kontrollieren könne. Die Impfung hemme die Fruchtbarkeit. Zu den Masken hat er eine klare Meinung:
Masken sind viel schlimmer als Nazi-Armbinden. Sie symbolisieren den blinden Gehorsam der Bevölkerung.
Das Virus leugnen tut er indes nicht. Ihn überrascht jedoch, dass ein Virus gar nicht schädlich oder übertragbar sei bei Kindern.
Unter den rund 150 Helfern an den vier Standorten findet sich unter anderem ein ehemaliger Arzt, der nicht namentlich genannt werden möchte. Bereits seit Beginn der Pandemie und der damit folgenden Massnahmen ist er skeptisch. «Die Schlacht war schon verloren bevor sie begonnen hat», sagt er.
Mittlerweile hat Prisca Bürgler, Lehrerin aus dem Kanton Uri, die Schwyzer Bühne betreten. Auch sie hat im Vorfeld für Schlagzeilen gesorgt. Sie hatte sich für eine Kundgebung in Altdorf eingesetzt und an der Organisation mitgewirkt, weswegen die Schule Emmetten sie freigestellt hat. Ihre Rede beinhaltet Danksagungen, vor allem an Lehrer. «Mein Dank geht an die Mathematiklehrer, die den Schülern beibringen, Zahlen richtig zu interpretieren», sagt sie etwa. Darüber hinaus dankt sie unter anderem ihrem ehemaligen Lehrer, der die Geschichte von Wilhelm Tell erzählt und sich gegen sinnlose Befehle von Obrigkeiten gestemmt habe. «Es ist auch unsere Pflicht, Widerstand zu leisten», appelliert sie, was die Zuschauer mit grossem Applaus quittieren.
Summa summarum ist es in den Kantonen zu keinen Zwischenfällen gekommen. Wie die Kantonspolizei Schwyz in einer Medienmitteilung schreibt, wurden vier Teilnehmer wegen Missachtung der Maskentragepflicht bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz angezeigt. Laut der Urner Kantonspolizei verlief die Veranstaltung aus polizeilicher Sicht ruhig und ohne Probleme. Auch die Obwaldner Polizei sagt auf Anfrage, die Veranstaltung sei ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Ähnlich tönt es bei der Nidwaldner Polizei. Die Kundgebung in Stans sei friedlich verlaufen. Es seien rund 300 Personen auf dem Dorfplatz versammelt gewesen.