Parlament bei Beschaffungsrecht auf Kollisionskurs mit der WTO

Wegen einer Änderung des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) muss das Beschaffungsgesetz revidiert werden. Der Ständerat hat am Montag über die Vorlage diskutiert. Wie der Nationalrat verfolgte er dabei das Ziel, gleich lange Spiesse für Schweizer Unternehmen zu schaffen.

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Bundesrat Ueli Maurer spricht während der Debatte im Ständerat. (Bild: Peter Klaunzer/Keystone (Bern, 10. Dezember 2018))

Bundesrat Ueli Maurer spricht während der Debatte im Ständerat. (Bild: Peter Klaunzer/Keystone (Bern, 10. Dezember 2018))

(sda) Dafür ist er sogar bereit, an die Grenzen des internationalen Rechts zu gehen. Der wohl schwerwiegendste Grenzfall ist das vom Nationalrat eingeführten Kriterium, dass bei der Vergabe das Preisniveau im Land berücksichtigt wird, in welchen die Leistung erbracht wird.

Damit hätten Schweizer KMU die gleichen Bedingungen wie Anbieter aus Tieflohnländern, sagte Kommissionssprecher Pirmin Bischof (CVP/SO). Laut Peter Föhn (SVP/SZ) geht es um Schweizer Arbeitsplätze. Man müsse sich fragen, ob heute Schweizer Unternehmen bei Ausschreibungen im Ausland nicht aufgrund der hohen Kosten diskriminiert würden, sagte Stefan Engler (CVP/GR).

«Grosses Risiko»

Finanzminister Ueli Maurer konnte diese Argumente zwar nachvollziehen. Schweizer Löhne würden durch die flankierenden Massnahmen geschützt. Wenn aber die Leistung im Ausland erbracht werde, gebe es keinen Schutz, sagte er. Gleichzeitig warnte Maurer davor, dass es sich um einen «krassen Verstoss gegen WTO-Regeln» handle. Das führe fast mit Sicherheit zu Klagen. «Sie würden ein sehr grosses Risiko eingehen», sagte der Finanzminister.

Eine Minderheit des Ständerats wollte dieses Risiko nicht eingehen. Das Zuschlagskriterium sei protektionistisch, völkerrechtswidrig und wettbewerbsfeindlich, sagte Andrea Caroni (FDP/AR). Würde es umgesetzt, gerate die Schweiz in einen Beschaffungskrieg, unter dem vor allem Schweizer Unternehmen leiden würden. Caroni wies auch darauf hin, dass die Bestimmung kaum umzusetzen wäre - vor allem dann, wenn Vorleistungen in verschiedenen Ländern erbracht werden. Er unterlag jedoch mit 32 zu 7 Stimmen.

Billig ist nicht alles

In eine ähnliche Richtung geht die Ergänzung, dass Anbieter die am Ort der Leistung geltenden Umweltvorschriften einhalten müssen. Zudem sollen künftig auch Kriterien wie Lebensdauer oder Unterhalt bei der Vergabe einbezogen werden. Ausserhalb von WTO-Ausschreibungen sollen zudem Lehrstellen, Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmende oder die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen eine Rolle spielen.

Konsequenterweise erhält künftig nicht das billigste Angebot den Zuschlag, sondern jenes mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Indem Preis und Qualität auf die gleiche Stufe gestellt würden, werde der Werkplatz Schweiz gestärkt, sagte Maurer. Damit bekämen inländische und ausländische Anbieter gleich lange Spiesse.

Nach der ersten Beratungsrunde bleiben zahlreiche weitere Differenzen zwischen National- und Ständerat. Gestrichen hat die kleine Kammer die Verlässlichkeit des Preises als Zuschlagskriterium, weil es ihrer Meinung nach im Kriterium Plausibilität des Angebots enthalten ist. Abgelehnt hat sie auch die Ergänzung, dass ein Verstoss gegen die berufliche Ethik oder gegen «allgemein anerkannte Verhaltensregeln» zum Ausschluss vom Verfahren oder zum Widerruf des Zuschlags führen kann.

Umstrittenes Einsichtsrecht

Eine weitere Differenz betrifft das Einsichtsrecht, das schon im Nationalrat zu reden gegeben hatte. Der Bundesrat schlägt vor, dass Auftraggeber bei freihändig vergebenen Aufträgen im Wert über einer Million Franken Einsicht in sämtliche Akten nehmen können, die als Grundlage zur Preisbildung dienten. Die Unterlagen will er der Geheimhaltung unterstellen.

Der Nationalrat hatte die Geheimhaltungsbestimmungen aus dem Gesetz gestrichen. Gegen den Widerstand der Linken verwarf der Ständerat nun das Einsichtsrecht insgesamt. Dieses sei heute in der Verordnung geregelt, sagte Kommissionssprecher Bischof. Dabei soll es bleiben.

Milliardenmarkt

Die Totalrevision des Beschaffungsrechts ist nötig wegen einer Änderung des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA). Diese hat der Ständerat ebenfalls gutgeheissen. Im gleichen Zug wird das Beschaffungsrecht von Bund und Kantonen angeglichen.

Für die Kantone hat die Regelung grosse Bedeutung: Das jährliche Volumen der Zahlungen im Beschaffungswesen wird auf über 40 Milliarden Franken geschätzt. 80 Prozent davon stammen von Kantonen und Gemeinden.

Im Anschluss an die Diskussion über das Beschaffungsrecht hat der Ständerat sechs Motionen aus dem Nationalrat zum Thema Beschaffungswesen abgelehnt. Eine Motion nahm er an. Diese verlangt, dass der Bund Druckaufträge nur an Schweizer Druckereien vergeben darf.