Per Klick gegen Verbrechen an Kindern - Schweiz ist am Netzwerk Inhope nicht beteiligt

Als beinahe einziges westliches Land beteiligt sich die Schweiz nicht am Netzwerk Inhope, das gegen Kinderpornografie im Internet vorgeht. Das sorgt für Kritik. Der Bund hält eine Zusammenarbeit aber für unnötig.

Maja Briner
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Kein Platz für Kinderpornografie im Internet: «Inhope»-Meldestellen reagieren sehr schnell auf anonyme Hinweise. (Themenbild: Getty/EyeEm)

Kein Platz für Kinderpornografie im Internet: «Inhope»-Meldestellen reagieren sehr schnell auf anonyme Hinweise. (Themenbild: Getty/EyeEm)

Ein Blick auf die Karte zeigt die Schweiz als weissen Fleck: Die EU-Länder sind dabei, ebenso die Türkei, Russland und die USA. In 40 Staaten gibt es Meldestellen für Kinderpornografie im Internet, die dem Inhope-Dachverband angeschlossen sind. Nicht so bei uns. Der Bundesrat will zwar mehr tun im Kampf gegen Kinderpornografie. Er will dazu aber nur die Provider verpflichten, betroffene Websites zu blockieren. Von einer Kooperation mit Inhope will er nichts wissen.

Interessiert zeigte sich hingegen die zuständige Nationalratskommission: Sie lud Vertreter der Organisation zur Anhörung; dies im Rahmen der Beratungen über Netzsperren, wie Präsidentin Edith Graf-Litscher (SP/TG) sagt. Die Kommission sei beeindruckt gewesen, wie viele anonyme Hinweise die Meldestellen erhielten und wie schnell die betroffenen Seiten gelöscht werden. Entschieden wurde in punkto Netzsperren noch nichts, die Beratungen gehen Ende August weiter.

Bilder werden rasch gelöscht

Die Meldestellen, die sich Inhope angeschlossen haben, werden je nach Land von NGOs, von Internetprovidern oder vom Staat betrieben. Sie arbeiten eng zusammen: Erhält zum Beispiel die italienische Meldestelle Hinweise auf kinderpornografische Inhalte, die auf einem US-Server liegen, informiert sie das zuständige Inhope-Mitglied in den USA. Dieses nimmt Kontakt mit den lokalen Providern auf, damit Bilder oder Videos gelöscht werden, und informiert die Polizei. Das geht schnell: Laut Inhope konnten 2017 93 Prozent der Inhalte innert maximal einem Monat gelöscht werden, gut 60 Prozent bereits innert drei Tagen.

In der Schweiz wirbt der Verein Digitale Gesellschaft für eine Zusammenarbeit mit Inhope und gegen Netzsperren. «Inhope wäre eine wertvolle Ergänzung im Kampf gegen Kinderpornografie», sagt Martin Steiger, Rechtsanwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft. Er vergleicht nationale Netzsperren mit geschlossenen Fensterläden: Das kinderpornografische Material werde zwar verdeckt, es sei aber nach wie vor vorhanden – und wer wolle, könne die Netzsperren umgehen und darauf zugreifen.

Hinzu kommt laut Kritikern, dass Internet-Browser künftig so genannte DNS-Sperren standardmässig umgehen werden. Das soll vor Betrügern schützen, macht aber Netzsperren unwirksam. Auch aus Opfersicht seien Sperren nicht zielführend, sagt Steiger: Viel wichtiger für die Opfer sei es, dass Bilder und Videos rasch gelöscht werden und die Polizei schnell informiert werde. «Über das Inhope-Netzwerk können die ausländischen Provider und die Polizei viel schneller kontaktiert werden, als dies die Behörden über den Dienstweg tun können», sagt er.

Bisheriges System hat sich laut Bund bewährt

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hält eine Beteiligung an Inhope jedoch nicht für nötig. Die Schweiz habe ein gut funktionierendes System im Kampf gegen Kinderpornografie im Internet, heisst es beim Fedpol. Man arbeite eng mit den Providern und mit den internationalen Polizeibehörden Interpol und Europol zusammen. «Das hat sich bewährt», sagt Sprecherin Lulzana Musliu. «Wir haben deshalb bisher auch keine Zusammenarbeit mit Inhope aufgebaut.»

Zuständig für die Strafverfolgung gegen Pädokriminalität sind die Kantone, das Fedpol unterstützt sie dabei. Es bietet unter anderem ein Online-Formular an, bei dem ohne Angabe von Name oder Mail-Adresse kinderpornografische Inhalte gemeldet werden können. Erfährt das Fedpol von illegalem Material, informiert es die Internet-Provider. Diese sperren die Websites freiwillig. Da die Bilder meist auf ausländischen Servern liegen, beantragt das Fedpol in einem zweiten Schritt via Interpol deren Löschung. Das klappe in 80 bis 90 Prozent der Fälle, sagt die Sprecherin. Wie lange es dauert, bis die Inhalte entfernt sind, erhebt die Behörde nicht.

Kinderschänder verziehen sich ins Darknet

Das Fedpol betont, Netzsperren seien nur ein Teil der Arbeit gegen Kinderpornografie. Diese verlagere sich ohnehin zunehmend in den nicht sichtbaren Teil des Internets – ins Darknet und in so genannte Peer-to-Peer-Netzwerke. «Darauf haben wir bereits reagiert», sagt Musliu. Das Fedpol durchforstet etwa Peer-to-Peer-Netzwerke, um Personen aufzuspüren, die kinderpornografisches Material verbreiten.

Steiger sieht Inhope indes nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur Arbeit der Behörden. Er verweist auf Österreich, wo es neben der staatlichen Meldestelle auch eine private gibt, die Inhope angeschlossen ist. Letztere erhält deutlich mehr Hinweise. Für Steiger ist das nachvollziehbar: «Viele Meldungen kommen von Betroffenen und Konsumenten von kinderpornografischem Material – und diese haben oft Hemmungen, sich bei Behörden zu melden, selbst wenn sie dabei ihren Namen nicht angeben müssen.»