Bundesrat Ignazio Cassis muss sich wegen seiner Personalpolitik erklären. In seinem Ministerium brodelt es.
Um 10 nach 10 am Montagmorgen erschien Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) mit Gefolge, darunter die neue Staatssekretärin Livia Leu, vor Zimmer 3 im Bundeshaus. Drinnen warteten die Mitglieder der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats unter Damien Müller (FDP, LU) auf den Tessiner.
Cassis musste zu einer Reihe von Themen Red und Antwort stehen. So sollte er mit seiner sehr zurückhaltenden Reaktion auf die Ereignisse um den von US-Präsident Trump angestifteten Sturm aufs Kapitol konfrontiert werden. Innenpolitisch standen die umstrittenen Botschafter-Rochaden zur Debatte, die zuletzt hohe Wellen warfen.
Mehrere erfahrene und eigenständige Diplomatinnen und Diplomaten wurden bei Versetzungen auf als brüsk bis «stalinistisch» empfundene Weise auf Abstellgleise manövriert oder übergangen. Was das Aussendepartement (EDA) bestreitet. So traf es Alexandre Fasel, Botschafter in London, der statt nach Brüssel nach Kairo soll. «In die Wüste geschickt», so ein Beobachter. Cassis, offenbar uninformiert, sagte im Bundesrat fälschlicherweise, es sei Fasels Wunsch, nach Kairo zu wechseln. Mehrere Bundesräte sehen sich nun hintergangen. Als massgeblichen Treiber hinter der Personalpolitik orten Insider den ehemaligen Geheimdienstchef und heutigen Generalsekretär von Cassis, Markus Seiler. Cassis wird von Beobachtern als schwach geschildert.
Cassis steht vor einer schwierigen Zukunft, denn der zweite Sitz der FDP dürfte nach den nächsten Wahlen wackeln. Bereits hat die künftige «Mitte» aus CVP und BDP ihren Anspruch angemeldet. Als gefährdet gilt der Sitz von Cassis, denn auf dem anderen Sitz hat sich Justizministerin Karin Keller-Sutter sicher installiert. Dass mit Alexandre Fasel ein verdienter Diplomat der CVP übergangen wurde, ist für Cassis wenig hilfreich. Aber nicht nur «Die Mitte» wetzt die Messer. Auch die Grünen und die Grünliberalen stehen in den Startlöchern.
Im Umfeld von Cassis liegen die Nerven laut Insidern blank. Der Ärger über die Berichterstattung von CH Media zu den Botschafter-Rochaden und der EDA-Personalpolitik ist gross.
Die Wirren ums Personal begannen für viele nicht erst mit Cassis, sondern mit der früheren Staatssekretärin Pascale Bäriswyl (SP) unter Cassis’ Vorgänger Didier Burkhalter. Unter Generalsekretär Seiler habe sich die Lage aber massiv verschlimmert. Stein des Anstosses sind etwa Personalbeurteilungen. Mit ihnen sei ein Willkür-Regime installiert worden, so Kritiker. Es herrsche ein Klima des Misstrauens.
Dazu trägt bei, dass Cassis die Politik nach Meinung vieler in Trump-Manier aufmischte, etwa in Bezug auf das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA oder dem von der Schweiz selbst vorangetriebenen UNO-Migrationspakt. Die Krise spiegelt sich laut Beobachtern in Abgängen von erfahrenen Diplomatinnen und Diplomaten, die teils brüskiert wurden, namentlich in internationale Organisationen, in Urlaub oder in den Privatsektor. Beispiele, die derzeit genannt werden: