Wenn die Karikaturisten viel Arbeit haben, dann ist das ein sicheres Indiz dafür: Wir haben Krise!
Von Corona gezeichnet: So könnte man den Zustand der Welt 2020 beschreiben. Die Karikaturistinnen und Karikaturisten nehmen das wörtlich. «Wir hatten enorm viel zu tun dieses Jahr», zieht Silvan Wegmann Bilanz, der Hauskarikaturist der CH-Media-Zeitungen. «Corona hat die alte Regel bestätigt: Krisenzeiten sind gute Zeiten für unsere Zunft.»
Das gelte allerdings nur in künstlerischer, nicht in wirtschaftlicher Hinsicht. «Karikaturen stiessen dieses Jahr beim Publikum auf enormes Interesse, in den sozialen Medien verbreiteten sie sich wie noch nie», sagt Marco Ratschiller, Chefredaktor des «Nebelspalters», der ebenfalls für CH Media zeichnet. «Aber damit verdient man noch nichts.»
Die Gratiskultur im Internet macht den Karikaturisten zu schaffen. Es gibt Zeitungen, die bei Cartoons gespart oder deren Schöpfern gar gekündigt haben. Und das ausgerechnet jetzt, wo Karikaturen als «Zerstreuungsangebot», wie es Ratschiller nennt, gefragt sind.
Während die CH-Media-Zeitungen weiterhin auf Karikaturen setzen und nebst Wegmann und Ratschiller auch Tom Werner vom «St.Galler Tagblatt» in ihren Reihen haben, sieht es anderswo düster aus.
Damit die Kreativität der Künstlerinnen und Künstler trotzdem ein Publikum findet, haben Wegmann und Ratschiller im Lockdown ein Konto auf Instagram eröffnet, auf dem die Zeichnungen aufgeschaltet werden können («gezeichnet.ch»).
Inzwischen sind dort rund 450 Cartoons zu sehen. Aber eben: Aufmerksamkeit zu finden und vom Zeichnen leben zu können, das sind zwei verschiedene Dinge.
Doch das Internet ist nicht der einzige Verbreitungskanal. Wegmann und Ratschiller haben gemeinsam mit Tom Künzli ein Buch herausgegeben. Der Bildband «Gezeichnet» mit 120 Cartoons von 52 Pressezeichnerinnen und -zeichnern zur Coronapandemie wird sogar von Bundesrat Alain Berset empfohlen, der ein Vorwort geschrieben hat.
Er ist für 39 Franken erhältlich. Die drei Karikaturisten stehen auch hinter der Cartoon-Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern, die noch bis 7. Februar 2021 läuft und zurzeit nur mit einem virtuellen Rundgang über die Website des Museums besucht werden kann. Die Initianten hoffen, dass die Museen noch vor Ende der Ausstellung wieder geöffnet werden.
Insgesamt aber ist das Gewerbe der Zeichner weniger stark von Corona getroffen worden als manch andere Berufsgruppe. «Homeoffice ist für uns schon seit Ewigkeiten normal, die wenigsten Karikaturisten arbeiten auf den Zeitungsredaktionen, sondern liefern die Cartoons von zu Hause aus», sagt Silvan Wegmann, der im Januar das 25-Jahr-Jubliäum bei unserer Zeitung feiert.
Im Gegensatz zu Bühnen-Satirikern, die seit März ein faktisches Arbeitsverbot haben, konnten die Cartoonisten ihren Beruf ununterbrochen ausüben.
So sehr sie aufblühten, wenn es um Corona ging, so sehr bedauern die Künstler, dass «alle anderen Themen vom Virus praktisch abgetötet» wurden, wie Wegmann feststellt. Einzig Donald Trump konnte sich neben der Pandemie einigermassen behaupten, und er tat ja auch alles dafür.
Aber seine Frisur – ein Traumsujet für jeden Zeichner – war 2020 viel weniger zu sehen als in den Vorjahren. Fast ganz verschwunden ist das zweite Top-Thema von 2019, der Klimawandel.
Wie unsere Auswahl zeigt, sorgten innenpolitisch immerhin die CVP mit ihrer Umbenennung in «Die Mitte», Viola Amherds Kampfjet-Zitterpartie und nicht zuletzt Christoph Blocher für etwas Abwechslung.