Im Alltag geraten Velofahrer und Autofahrer oft aneinander. Jetzt zeigt eine Umfrage: Die Stimmung zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern ist gereizt.
Stefan Degen
Wo sich Velos und Autos die Strasse teilen müssen, kommt es häufig zu Konflikten. Bei brenzligen Verkehrssituationen kommt es deshalb immer wieder zu Streitereien zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern. Mit einer Plakatkampagne wollen Pro Velo, VCS, BfU, Suva, TCS, Polizei und weitere Partner Aufmerksamkeit wecken und die Zahl schwerer Unfälle zwischen Velo- und Autofahrern senken. Ein Plakat in warnendem Rot zeigt eine Strassenkreuzung und mahnt zum «Kontrollblick beim Vortritt».
Erstmals wurden nun über tausend Velo- und Autofahrende zu Stresssituationen im Verkehr befragt. Die Umfrage zeugt von einer gereizten Stimmung. Sie zeigt aber auch, was beide Gruppen tun können, um Unfälle zu vermeiden. Besonders häufig kommt es an Kreuzungen und im Kreiselverkehr zu Kollisionen und Beinah-Unfällen. Denn: Nur jede zweite Person weiss, wie sie Velos im Kreisel korrekt bewegen soll (siehe Grafik). Der repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Link zufolge werden gerade diese gefährlichen Situationen oft unterschätzt.
Die Umfrage schlägt 15 Massnahmen für eine unfallfreie Fahrt vor. Demnach gibt es Verbesserungspotenzial bei «Fahren mit Licht am Tag für Velos», «ausreichend Abstand, damit man besser gesehen wird» und «am Tag gut sichtbare Kleidung tragen». Klar herauskristallisiert haben sich bei der Umfrage wechselseitige Anliegen. Gemeinsam ist der von Velofahrern wie Autolenkern am häufigsten geäusserte Wunsch nach mehr Respekt und für mehr gegenseitiges Verständnis.
Ganz besonders aber wünschen sich Autofahrer von den Velofahrern Folgendes: Verkehrsregeln einhalten, bessere Sichtbarkeit mittels Velolicht und Kleidung, nicht im toten Winkel fahren und nicht überraschend auftauchen.
Umgekehrt wünschen sich Velofahrende von Autofahrern: Geduld und Behandlung als gleichwertige Verkehrsteilnehmer, höhere Konzentration auf den Verkehr, genügend Abstand beim Überholen und am rechten Strassenrand ausreichend Platz für die Durchfahrt der Velofahrer.
Die aktuelle Unfallstatistik spricht eine klare Sprache: Im vergangenen Jahr starben 39 Velo- und E-Bike-Fahrende. 8008 weitere sind verunfallt, davon 1001 schwer. Die Link-Studie hat erhärtet, dass die Missachtungen des Vortrittsrechts als wichtigste Ursache für schwer verletzte Velo- und E-Bike-Fahrer unterschätzt wird. Deshalb lautet die Botschaft im Kampagnenjahr 2016: «Es braucht immer einen Kontrollblick.»
Michael Rytz, Co-Autor der Studie und Projektleiter Verkehrssicherheit beim VCS, betont auf Anfrage, dass das Teilen der Strasse nicht ohne Konflikte geht: «Nur 6 Prozent der Velofahrenden und 7 Prozent der Autofahrenden kommen ohne Konflikte über die Runden.» Wer regelmässig sowohl Velo als auch Auto fahre, erlebe deutlich weniger Konflikte. Die andere Sicht zu kennen, begünstige unfallfreies Fahren. Der Vortritt wird häufiger von Seiten der Autofahrer missachtet», weiss Rytz. Zwei Drittel der Velofahrer finden, dass sich die Autofahrer rücksichtsvoll verhalten. Umgekehrt findet dies bei den Autofahrern nur jeder zweite. Michael Rytz bilanziert aber dennoch positiv: «Man kann nicht sagen, es herrsche Krieg auf der Strasse.»