Die Bundesanwaltschaft hat in den letzten Monaten einige Terrorverfahren eingestellt. Warum und wie viele es sind, gibt sie nicht bekannt.
Balz Bruppacher
Im Kampf gegen den dschihadistisch motivierten Terrorismus führt die Bundesanwaltschaft zurzeit rund 60 Strafverfahren. In rund einem Dutzend weiterer Fälle laufen erste polizeiliche Ermittlungen. Diese Zahlen sind dem jüngsten Bericht der Arbeitsgruppe Tetra zu entnehmen, dem Koordinationsgremium der Behörden von Bund und Kantonen, die sich mit der Bekämpfung des Terrorismus befassen.
Bei der Präsentation des Berichts am vergangenen 10. März erwähnte Bundesanwalt Michael Lauber, dass einige Fälle durch Strafbefehle oder Einstellungsverfügungen abgeschlossen worden seien.
Bei den Strafbefehlen ging es meist um dschihadistische Propaganda, wie Medienberichten zu entnehmen ist. Über die Einstellungsverfügungen ist bisher nichts bekannt. Dabei dürfte es auch bleiben. Denn die Bundesanwaltschaft hat ihre Praxis bezüglich der Offenlegung von Strafbefehlen sowie von Einstellungsverfügungen und von sogenannten Nichtanhandnahmeverfügungen – sie werden erlassen, wenn die Bundesanwaltschaft keine genügenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten erkennt – geändert, wie der Rechtsdienst der Bundesanwaltschaft auf Anfrage bekanntgab.
Und zwar werden sämtliche rechtskräftigen, verfahrenserledigenden Entscheide – auch Strafbefehle – nur noch in anonymisierter Form zugänglich gemacht. Das gilt auch für die Dauer der öffentlichen Auflage, die den Medien bisher offenstand. Einsicht wird überdies nur noch im Einzelfall und nach Absprache mit der Verfahrensleitung gewährt. Sogenannte Sammelanfragen werden nicht mehr beantwortet. Unsere Zeitung hatte sich bei der Bundesanwaltschaft erkundigt, in wie vielen Fällen wegen Verdachts auf dschihadistischen Terrorismus es bisher zu Strafbefehlen und zu Einstellungen gekommen ist. Weiter hatten wir um Einsicht in die Einstellungsverfügungen ersucht. Beide Fragen bleiben gemäss der neuen Praxis unbeantwortet.
Zur Begründung der restriktiveren Information erinnert die Bundesanwaltschaft an die Tragweite der Strafverfolgung gegen den Terrorismus, der die innere sowie die äussere Sicherheit der Schweiz betreffe. Die Verfahren der Bundesanwaltschaft wiesen untereinander personelle und/oder geografische Verbindungen auf. «Die in diesem Deliktsbereich agierenden Personen bewegen sich in Netzwerken, die sich über alle Landesteile und Sprachgrenzen hinweg erstrecken», so die Bundesanwaltschaft. Und weiter: «Aus diesem Grund können die einzelnen Verfahren – auch wenn diese aus rechtlicher Sicht vereinzelt bereits zu einem Abschluss gebracht wurden – nicht isoliert für sich betrachtet werden.» Eine Offenlegung der Personalien der Verfahrensbeteiligten würde es ermöglichen, deren persönliche Beziehungen und Netzwerke zu eruieren.
Jede Einsichtnahme in nicht anonymisierte Strafbefehle und die damit verbundene Medienberichterstattung sei damit grundsätzlich geeignet, die Ermittlungen in den Strafverfahren und die polizeilichen Vorermittlungen zu gefährden, begründet die Bundesanwaltschaft. Das Interesse der um Einsicht ersuchenden Person müsse nach dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz gegen besondere Geheimhaltungsinteressen der Justizbehörden oder von mitbetroffenen Dritten abgewogen werden.
Berechtigten entgegenstehenden privaten oder öffentlichen Interessen sei in erster Linie mit der Anonymisierung Rechnung zu tragen. «Einsichtsgesuche dürfen schliesslich das gute Funktionieren der Strafjustiz nicht gefährden», schreibt die Bundesanwaltschaft.
Seit dem Amtsantritt von Michael Lauber ermöglicht die Bundesanwaltschaft den Medien Einsicht in Strafbefehle und in Einstellungsverfügungen. Das ist im Sinne des Öffentlichkeitsprinzips zu begrüssen.
Nachvollziehbar ist, dass die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Terrorismus nicht durch Offenlegung von Personalien und Ortsangaben gefährden will. Bedauerlich wäre allerdings, wenn die nun erfolgte Praxisänderung dazu führte, dass sich die Strafverfolger des Bundes in Richtung Dunkelkammerjustiz bewegen. So ist nicht einzusehen, dass Angaben über die Zahl der Strafbefehle und der eingestellten Verfahren laufende Terrorermittlungen gefährden könnten.
Mit Blick auf die Arbeiten zur Verschärfung der Gesetze gegen den Terrorismus wäre es überdies interessant, zu wissen, wo die Bundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungen an Grenzen stösst. Die Einsicht in anonymisierte Einstellungsverfügungen könnte Antworten liefern.
Balz Bruppacher