VERKEHR: Verhältnismässigkeit für Raser: Initiative droht das Scheitern

Bei Raserdelikten gibt es keine Einzelfallprüfung. Ein Komitee will das Prinzip der Verhältnismässigkeit wiederherstellen. Doch mit der Unterschriftensammlung harzt es.

Kari Kälin
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Der Raser war ausserorts mit 136 km/h unterwegs. (Symbolbild Neue LZ)

Der Raser war ausserorts mit 136 km/h unterwegs. (Symbolbild Neue LZ)

Fabio Regazzi hat die Hoffnung nicht aufgegeben. «Wir werden alles daransetzen, die 100 000 Unterschriften zu sammeln», sagt der Tessiner CVP-Nationalrat. Regazzi ist Mitinitiant des Volksbegehrens «Stopp den Auswüchsen von Via Sicura». Die Hauptforderung: Auch Raser haben Anrecht auf eine Einzelfallprüfung. Der Grund für die Initiative: Heute werden Raser zwingend mit ein bis vier Jahren Gefängnis bestraft. Zudem müssen sie den Fahrausweis für mindestens zwei Jahre abgeben. Trifft es einen Chauffeur, ist dessen berufliche Existenz in Gefahr.

Bei Halbzeit der Sammelaktivitäten hat das Komitee allerdings bloss 20 000 Unterschriften beisammen. Die Eingabefrist läuft Anfang November ab. Der Initiative droht das Aus. «Einfach wird es nicht», räumt Regazzi ein. Zwar sitzen mit ihm und dem Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor zwei eidgenössische Parlamentarier im Initiativkomitee. Trotz diesen nationalen Aushängeschildern harzt es. Das wohl grösste Problem ist der Sammel-Röstigraben. Drei Viertel der Unterschriften wurden bis jetzt in der Westschweiz generiert, der Rest fast ausschliesslich im Kanton Tessin.

Der Walliser SVP-Kantonsrat Pierre Contat ist Sekretär des Initiativkomitees. Der Organisator von Fahrkursen lässt sich nicht entmutigen. «Wir sollten die nötigen 100 000 Unterschriften erreichen.» Man stehe deswegen im Kontakt mit vielen Vereinen und Verbänden. Bis jetzt fehlt aber der Support eines gewichtigen Akteurs. So stehen zum ­Beispiel der Automobil-Club Schweiz (ACS), die Föderation der Motorradfahrer der Schweiz (FMS) und der Verband der Lastwagenfahrer Astag abseits. «Es ist unglaublich, dass diese Verbände uns nicht offiziell helfen wollen», ärgert sich Contat.

Der Bundesrat arbeitet derzeit an einem Bericht über die Wirksamkeit der Massnahmen von Via Sicura. Dabei wird er sich auch mit dem Thema Verhältnismässigkeit bei Raserdelikten befassen. Der Bericht dürfte noch in diesem Jahr publiziert werden.

Auch der von Contat kritisierte ACS stört sich an den mechanischen Strafen. Für ACS-Präsident Thomas Hurter sollte deswegen aber nicht die Verfassung, sondern das Gesetz geändert werden. «Wir warten auf den Bericht des Bundesrats und werden danach über das weitere Vor­gehen entscheiden», sagt der Schaffhauser SVP-Nationalrat.

Astag spricht von «völlig falschem Signal»

Auch FMS-Präsident Walter Wobmann kämpft für die Wiederherstellung der Verhältnismässigkeit. «Dass die Richter bei Raserdelikten keinen Ermessensspielraum haben, ist falsch», sagt er. Der Solothurner SVP-Nationalrat hat sogar eigenhändig ein paar Dutzend Unterschriften gesammelt. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, der FMS mache zu wenig Werbung für die Initiative. Es sei nicht dessen Aufgabe, die Sammelarbeit zu erledigen, nachdem die Initianten einen zu detaillierten Text formuliert hätten. Ausserdem sei es schwierig, damit beim Volk zu punkten. «Wir müssen quasi um Verständnis für Raser bitten. Das kommt nicht gut an», sagt Wobmann.

«Die Verkehrssicherheit», sagt derweil Astag-Vizedirektor André Kirchhofer, «hat für unseren Verband absolute Priorität.» Und: «Es wäre ein völlig falsches Signal, wenn unser Verband sich für eine Initiative zur Aushebelung von Via Sicura einsetzen würde.» Astag sieht in Via Sicura eine gewisse Grundproblematik. So erhielten Berufschauffeure, die sich im Strassenverkehr privat etwas zu Schulden kommen lassen, unter Umständen relativ rasch ein faktisches Berufsverbot, sagt Kirchhofer. «Es gibt Härtefälle.» Verbesserungen wolle die Astag aber über den parlamentarischen Weg erzielen.

Kari Kälin