Egal, wie der heutige Abstimmungssonntag ausgeht: Ausschaffung bleibt ein Thema – und zwar gleich aller Männer. Einige finden das witzig. Andere fürchten ums Initiativrecht.
«Ich dachte, es kommen mehr Hassbriefe als Unterschriften», sagt Christian Mueller. Als Antwort auf die Ausschaffungs- und Durchsetzungsinitiative hat der Basler Künstler eine eidgenössische Volksinitiative «zur Ausschaffung krimineller Männer» lanciert. Aller Männer wohlverstanden, egal welcher Nationalität. Hassbriefe bekam er dennoch keine. Dafür mehrere tausend Unterschriften, wie der ehemalige Jungsozialist und heutige Präsident der Kleinstpartei «Freistaat unteres Kleinbasel» staunend berichtet. Und das ganz ohne Sammelaktion.
Die Signaturen kamen dank der Internetseite «www.maenner-raus.ch» und dem damit verbundenen Facebook-Auftritt zusammen. Anhand von Kriminalstatistiken belegt Mueller darauf wasserdicht, dass es Männer sind, welche die weitaus meisten Gewalttaten zu verantworten haben. Zur Illustration lässt er weisse Schäflein mit langen Wimpern ein grimmig dreinblickendes, wimpernloses, schwarzes Schaf aus dem Land kicken. Das Motiv ist aus einschlägigen Kampagnen der SVP bekannt. Dass sich Muellers Initiative über weite Strecken wörtlich mit derjenigen der SVP deckt, ist ebenfalls kein Zufall: «Ich wollte zeigen, dass es der SVP gar nicht um Sicherheit geht – sondern um Rassismus», erklärt er.
Dass die nötigen 100 000 Unterschriften bis zum Ablauf der Sammelfrist Mitte Mai zusammenkommen, ist zwar höchst unwahrscheinlich. Doch ein Ziel hat der 35-jährige ehemalige Aktivist der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), der sich selber als «Eidgenössisch diplomierter Künstler» bezeichnet, bereits erreicht: Medial sorgte er bis über die Landesgrenzen hinaus für Furore. Nicht nur deutsche Medien berichteten über die Lancierung seines Begehrens. Selbst einer australischen Zeitung wars angeblich eine Meldung wert.
Im eigenen Land hielt er indes die Bundesverwaltung auf Trab. Die Bundeskanzlei musste prüfen, ob die Initiative den formellen Anforderungen entspricht – also ob die Einheit der Form und der Materie erfüllt ist und ob keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts verletzt werden. Ausserdem musste sie den Text auf Französisch und Italienisch übersetzen und anschliessend im Bundesblatt veröffentlichen.
Wie gross der Aufwand war, will die Bundeskanzlei zwar nicht beziffern. Der Initiant liefert aber einige Hinweise: Die Diskussionen mit dem Bund hätten sich über ein Jahr lang hingezogen, berichtet er. Viele Grundsatzfragen seien zu klären gewesen. Etwa, ob eine Volksinitiative eine andere parodieren und fast den gleichen Titel tragen dürfe.
Offenbar darf sie das. Was wiederum eine ganze Reihe von Fragen aufwirft – wobei jene nach den Kosten von Initiativen, bei denen es gar nicht darum geht, dass sie von Volk und Ständen angenommen werden, noch zu den einfacheren gehört. «Demokratie ist nun mal nicht gratis», sagt Mueller – und weist darauf hin, dass die Durchsetzungsinitiative der SVP viel teurer gewesen sei.
Schwieriger wird es mit der Frage nach der politischen Kultur, wenn Volksinitiativen eigens zu dem Zweck lanciert werden, um andere Volksinitiativen ad absurdum zu führen. «Provokation ist eine Form des künstlerischen Ausdrucks, nicht aber legitimer Zweck einer Volksinitiative», befand Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Markus Müller in der NZZ, und er nannte die Männer-raus-Initiative rechtsmissbräuchlich. Gleiches gelte für die Durchsetzungsinitiative, welche eine verkappte Drohgebärde sei, argumentierte der Jurist, und folgerte daraus: «Solche Initiativen sind ohne Wenn und Aber für ungültig zu erklären.» Denn sie belasteten das System und ermüdeten die ohnehin arg strapazierte Stimmbevölkerung.
Die Frage, wie weit Volksinitiativen gehen dürfen, beschäftigt aktuell auch das Parlament. Konkret unternehmen die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) der beiden Räte einmal mehr einen Anlauf, um das Initiativrecht zu beschränken. Die ständerätliche SKP hat diverse Vorstösse verabschiedet, und die nationalrätliche Schwesternkommission setzt eine Subkommission ein. Gerade die Männer-raus-Initiative zeigt aber, dass die Positionen weiterhin meilenweit auseinanderliegen. So sieht sich der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister in seiner Haltung bestätigt, dass es keinen Handlungsbedarf gebe: Allein die Formulierung der Männer-Ausschaffungsinitiative zeige klar, dass es sich um eine künstlerische Aktion handle, erklärt er, und nennt es «ein gutes Signal, dass sich unsere Verwaltung ernsthaft mit solchen Anliegen auseinandersetzt».
Ganz anders Hans Stöckli: Auf den ersten Blick komme die Initiative bissig-harmlos daher, findet der Berner SP-Ständerat: «Auf dem Bundesplatz oder in einem Kunstmuseum hätte das durchaus seine Berechtigung.» Das Initiativrecht jedoch sei die «Perle der demokratischen Rechte». Diese für solch künstlerische Events einzusetzen, gehe einen Schritt zu weit.
Männer-raus-Initiant Christian Mueller lässt diese Diskussion kalt. Der Basler Künstler brütet bereits über einem neuen Initiativprojekt, mit dem er seine politische Laufbahn im eigenen Kanton beflügeln möchte. Diesmal für eine öffentliche Wasserrutschbahn am Rhein.
Eva Novak