WAHLEN: Wenn aus Schülern Politiker werden

Eine Schulklasse erfährt in Bern am eigenen Leib, wie unser Parlament funktioniert. Die jungen Stimmbürger erklären, was sie bewegt. Und wie man Politik interessanter machen könnte.

Lukas Leuzinger
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Eine Schulklasse bei der Besichtigung des Bundeshauses in Bern. (Bild Archiv Eveline Beerkircher/Neue LZ)

Eine Schulklasse bei der Besichtigung des Bundeshauses in Bern. (Bild Archiv Eveline Beerkircher/Neue LZ)

Lukas Leuzinger

Die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Bildung (WBK) hat der Jugendarbeitslosigkeit den Kampf angesagt: Sie schlägt vor, dass Unternehmen, die Lehrlinge beschäftigen, vom Bund subventioniert werden beziehungsweise weniger Steuern bezahlen sollen. Im Nationalratsplenum stösst die ungewöhnliche Massnahme indes auf Kritik. Wie das Ganze denn zu finanzieren sei, fragt eine Nationalrätin. Die Steuern zu erhöhen, sei wohl kaum im Interesse der Unternehmen und damit auch nicht der Arbeitnehmer. Die Kommissionssprecherin entgegnet, dass im Gegenzug Ausgaben bei der Arbeits­losenversicherung gespart werden könnten. Den Nationalrat überzeugt sie damit jedoch nicht: Ganz knapp – mit nur einer Stimme Unterschied – lehnt er den Vorschlag der Kommission ab.

Selbst wenn der Rat dem Anliegen zugestimmt hätte, hätte niemand höhere Steuern zu befürchten gehabt. Denn dieser Nationalrat besteht nicht aus gewählten Politikern, sondern aus einer Luzerner Schulklasse. Während eines Besuchs in Bern spielen sie eine Parlamentssitzung nach. Schauplatz ist der Käfigturm unweit des Bundeshauses, wo derzeit eine Ausstellung zu den Parlamentswahlen stattfindet (siehe Kasten).

Eine Stunde lang debattieren die Schülerinnen und Schüler der Fach- und Wirtschaftsmittelschule Luzern im Spiel «Mein Standpunkt» über Arbeitsmarkt, Verkehr und staatspolitische Fragen. Anschliessend gehen sie hinüber ins Bundeshaus und besichtigen den Saal, in dem der «richtige» Nationalrat seine Sitzungen abhält.

Vorbereitung in Kommissionen

Den Politikbetrieb in Bern mit einem Spiel zu erfahren, kommt bei den Schülern gut an. «Man versteht besser, wie das Parlament funktioniert», sagt die 18-jährige Gerda. Bevor sie und ihre Kollegen im «Nationalrat» die Klingen kreuzen können, braucht es allerdings einige Vorbereitung. Vor der Reise nach Bern werden sie in drei «Kommissionen» eingeteilt, die zu den Themen Mobilität, Jugendarbeitslosigkeit und politische Beteiligung von Jugendlichen Vorschläge erarbeiten müssen. Sie diskutieren das Problem, bringen verschiedene Ideen vor, wägen sie gegeneinander ab und einigen sich schliesslich auf eine Lösung.

«Die Diskussionen waren sehr spannend», erzählt die 20-jährige Misoon. Vorher habe sie sich nicht so mit dem politischen Prozess befasst. Für Politik interessiere sie sich aber eigentlich schon. Sie nehme meistens an Abstimmungen teil. Auch an den nationalen Wahlen am 18. Oktober will sie ihre Stimme abgeben. Den Wahlkampf verfolge sie allerdings nicht sehr nah. «Ich interessiere mich eher für konkrete Sachfragen als für Personen», sagt sie. Als Beispiel nennt sie die Flüchtlingspolitik. Hier müsse die Schweiz etwas machen, findet Misoon. Wichtig sei vor allem, in den Herkunftsländern Hilfe zu leisten, damit die Leute gar nicht erst die Flucht in die Schweiz antreten müssten.

«Themen interessanter rüberbringen»

Eine ähnliche Meinung vertritt Lena. Natürlich gebe es einen Ansturm von Flüchtlingen. «Aber das sind auch Menschen», sagt die 18-Jährige. «Wir müssen ihnen helfen.» Auch sie findet das Spiel spannend. «Über politische Fragen zu diskutieren, gefällt mir.» Und dereinst selbst einmal im Parlament zu sitzen, wäre das etwas für sie? Lena ist skeptisch. «Ich werde lieber Lehrerin», sagt sie. So wie sie planen die meisten in ihrer Klasse, nach Erlangen der Fachmatura kommendes Jahr an die Pädagogische Hochschule zu gehen.

Der 19-jährige Pavo hingegen möchte an die Kunsthochschule. Ihn fasziniert Fotografie. Für Politik interessiere er sich auch, sagt er, allerdings seien die Vorlagen oft ziemlich trocken. «Man müsste die Themen interessanter rüberbringen», findet er. Dann würden sich auch mehr Junge an Abstimmungen und Wahlen beteiligen.

«Wählen ist ein Privileg»

Seine Kommission ging sogar noch einen Schritt weiter und brachte eine innovative Idee vor, wie man die Stimmbeteiligung von jungen Bürgern erhöhen könnte: Junge Wähler, die mindestens an drei Vierteln aller Abstimmungen eines Jahres teilnehmen, sollen einen Kinogutschein oder eine andere Belohnung erhalten.

Auch dieser Vorschlag stiess im Plenum allerdings auf Kritik. «Wählen ist ein Privileg», sagte eine Nationalrätin. Man sende ein falsches Signal aus, wenn man meine, Junge dafür belohnen zu müssen. Der «Nationalrat» lehnt es ab, sich selbst Belohnungen zu machen.