Hunderte Mädchen und Buben in der Zentralschweiz haben gestern ihre Mütter und Väter zur Arbeit begleitet – und viele wechselten dabei die Seite.
Charly Keiser
Was machen eigentlich Väter bei ihrer Arbeit? Dies können seit 2001 jeweils am zweiten Donnerstag im November viele Töchter dank dem Nationalen Tochtertag erleben, der dannzumal im Rahmen des Lehrstellenprojektes 16+ von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten initiiert wurde. Zum 10-Jahr-Jubiläum des Projekts sei die Neulancierung – auch Buben dürfen teilnehmen – und Namensänderung in «Zukunftstag» erfolgt, sagt Isabelle Santamaria-Bucher, Geschäftsführerin des Vereins Nationaler Zukunftstag. Der Tag ist heute ein interkantonales Kooperationsprojekt der Gleichstellungsfachstellen und -kommissionen von 18 Kantonen sowie der Stadt Bern und des Fürstentums Liechtenstein.
Nebst dem Grundprogramm, an dem die Mitarbeiter ihre Töchter oder Söhne zur Arbeit mitnehmen, setzt das Projekt auf einen Seitenwechsel. Buben und Mädchen erfahren dabei, wie breit das Spektrum möglicher Berufe ist, und erhalten neue Ideen für ihre Zukunft, erklärt Santamaria und fügt an: «Es geht darum, dass die Kinder in diesen für ihr Geschlecht atypischen Berufen positive Erfahrungen sammeln können.»
Wichtig sei ihm, einen Beruf zu lernen, bei dem er seine Hände brauchen könne, sagt David Lustenberger aus Sulz, der den gestrigen Zukunftstag im Kurhotel Sonnmatt in Luzern verbracht hat. Ganz allein per Zug und Bus ist der 12-Jährige angereist, der seinen Seitenwechsel mit seinem Vater zusammen ausgesucht hat. Dieser sei Mechaniker und habe zu Hause im Erdgeschoss eine eigene Werkstatt, sagt David Lustenberger, der drei Brüder im Alter von 10, 14 und 16 Jahren hat. Noch sei nicht klar, ob er tatsächlich einen Pflegeberuf lernen wolle, gesteht der Sekundarschüler. Es mache ihm aber unheimlich Spass, älteren Leuten beim Erzählen zuzuhören, sagt er und betont: «Da fühlt man sich wie in eine andere Zeit versetzt.»
Drei Buben seien heute im Hotel, um einen Blick in die Pflegeberufe zu erhalten; und drei Mädchen bekämen Einblick in die technischen Ausbildungen, verrät die stellvertretende Direktorin Ruth Betschart. Seitenwechsel seien sehr willkommen, sagt Betschart. «Denn gemischte Pflegeteams sind nicht nur besser, sondern bei den Klienten auch sehr begehrt und beliebt.»
Hoch im Kurs bei den Mädchen ist schon heute der Schreinerberuf, wie ein Augenschein in der Schreinerei Slamanig in Inwil zeigt. Sieben Mädchen ziehen mit einem Bleistift auf einem Stück Holz Striche, die sie kurz danach mit der Säge zum Verschwinden bringen. Drei Girls sind sich bereits sicher, dereinst «Schreinerin zu stiften», wie sich zeigt. «Ich will schon lange Schreinerin werden», verrät Rahel Feer (12) aus Obernau, deren Vater ebenfalls Schreiner ist. Auch Veronika Stirnimann (11) aus Malters will «definitiv» Schreinerin lernen, wie sie bekennt. «Ich arbeite ‹rüüdig› gerne mit Holz.» Seit etwa einem halben Jahr sei ihr klar, dass sie Schreinerin werden wolle, sagt auch Sylvie Müller (10) aus Luzern, die am liebsten einst Möbel designen würde.
Betreut werden die Mädels von Katharina Fleischli, die seit 25 Jahren als Schreinerin arbeitet und zudem in Zürich an der Gewerbeschule Fachunterricht erteilt. Sie sagt: «Es ist toll, dass immer mehr Mädchen Schreinerin lernen wollen.»