Noël Fuchs, Ebikon, 2. Sek
Ich war mir absolut sicher, dass nichts schiefgehen kann. Leider zu sicher, obwohl wir das Zielobjekt über Wochen beobachtet haben.
Wir waren früh unterwegs. Es war noch dunkel, der Mond schien zwischen den Wolken durch, und wir dachten, es wäre die beste Zeit für unser Vorhaben. Wir hatten uns auch extra dunkel angezogen. Wir schlichen auf Zehenspitzen in Richtung Gartentür. Das rot blinkende Licht oberhalb der Türe interessierte uns wenig. Dank meinen handwerklichen Fähigkeiten und den nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen (so dachten wir jedenfalls) des Eigentümers, brachten wir die Tür schnell und geräuschlos auf. Nach zwei Minuten standen wir in einer modernen Küche. Auf der Theke entdeckten wir Kartonkisten mit Besteck, Töpfen, Esswaren und weiteren Küchenutensilien. Schnell huschten wir daran vorbei. Töpfe und Besteck gehörten nicht zu unserem Beuteschema.
Das Mondlicht liess den Raum neben der Küche hell erleuchten. Ein alter Holztisch mit roten Stühlen stand mitten im Raum. Auf dem Tisch stapelten sich auch ein paar Kartonkisten. Beim näheren Hinschauen erhaschten wir einen Blick in die Kiste. Ein paar selbstgemalte Aquarellbilder lagen wild in den Kisten verstreut herum. Leider keine Picassos. Also auf zum nächsten Raum. Als wir die ältere, knarrende Holztür aufstiessen, standen wir in einem dunklen Raum ohne Fenster. Lediglich unsere Taschenlampen standen uns für die Orientierung zur Verfügung. Neben einer WC-Schüssel, einem alten Waschbecken und einer tropfenden Dusche war in diesem Raum nichts zu holen. Also wieder rückwärts raus. Ob unsere mehrwöchige Beobachtungsphase wirklich so gut war?
Langsam kamen wir ins Schwitzen weniger wegen den Kleidern, sondern eher wegen dem Umstand, dass uns ein leises Gefühl beschlich, in diesem Haus nichts Brauchbares zu finden. Ein paar Schritte neben dem Raum mit der WC-Schüssel fanden wir ein Zimmer, in welchem ein grosses Himmelbett stand. Jackpot! Hier müssten die wertvollen Dinge des Lebens doch zu finden sein. Neben dem Himmelbett mit den pinken Vorhängen und den sorgfältig zusammengelegten Bettdecken stand vorne eine kleine weisse Kommode. Mit viel Hoffnung öffnete ich die oberste Schublade. Sie war leer. Auch die zweite und die dritte versprach keine schnelle Beute. Als ich mich umdrehte, stand mein Buddy neben dem Bett und zeigte auf die danebenstehenden braunen Kartonkisten. Etwas genervt schaute ich auf die Kisten. Es scheint, als stehen in jedem Raum irgendwelche blöden Kartonkisten, welche darauf warten aus dem Zimmer und aus dem Haus befördert zu werden. Ausser ein paar Anziehsachen war nichts zu finden.
Wir waren genervt, da es in jedem Raum Kartonkisten hatte, aber keine Wertsachen. Wir waren keine Optimisten mehr. Da wir aber nicht mit komplett leeren Händen unser minutiöses geplantes Vorhaben verlassen wollten, packten wir ein paar Kartonkisten untere unsere muskulösen Arme und liefen in Richtung Haustüre. Da sollte unser unauffälliges Rot leuchtendes Transportauto stehe. Etwas unbeholfen quetschten wir uns durch die die Haustüre und knallten dabei mit Ellenbogen und Füssen an den Türrahmen. Neben den Kartonkisten kamen also auch noch blaue Flecken zu unserer Ausbeute dazu. So standen wir ein Paar Sekunden später beladen mit braunen Kartonkisten an der frischen Luft. Das Ziel war der Kofferraum unseres roten Flitzers. Etwas überrascht stellten wir aus der Ferne fest, dass neben unserem leuchtend roten Transportauto ein baugleicher Wagen stand. Dieser erstrahlte in einem Sonnengelb. Wer war denn nun hier? Unser Blut gefror uns in den Adern und die Nackenhaare standen uns zu Berge. Als wir vor dem Kofferraum standen, kam ein freundlicher Herr ums Auto gelaufen und meinte «Ah, ihr müsst die Umzug Helfer sein. Vielen Dank, dass ihr bereits angefangen habt, die Kisten rauszutragen. Ihr könnt diese einfach in den Kofferraum des sonnengelben Autos stellen.»