Am Freitag beginnt die Bundesliga-Saison. Es wird gewöhnungsbedürftig: Dortmund hat keinen norwegischen Berserker mehr im Sturm. Die Bayern können sich nicht mehr darauf verlassen, dass es Lewandowski richtet. Aber eines wird trotzdem bleiben: die Münchner Dominanz.
München ohne Robert Lewandowski? Bis vor einigen Wochen unvorstellbar wie Paris ohne Eiffelturm. Aber im Unterschied zum Eiffelturm ist Lewandowski nicht in der Münchner Erde verankert. Ja, vielleicht erinnerte er sich ja daran, dass er auch mal in Dortmund spielte. Dort sogar zu dem reifte, was er später in München war - ein absoluter Weltklasse-Stürmer. Oder in Zahlen: 344 Tore in 375 Wettbewerbsspielen.
Als wollte er seinen Dortmunder Steigbügelhaltern etwas zurückzahlen, macht Lewandowski Stunk in München. Er verlängert nicht. Ja, er will den bis 2023 laufenden Vertrag nicht mal erfüllen. So trotzt er sich zum FC Barcelona, München verliert ein Wahrzeichen und das dürre Pflänzchen der Dortmunder Sehnsucht nach dem ersten Titelgewinn seit 2012 (mit Lewandowski) erhält endlich wieder mal etwas Wasser.
Als wollte Lewandowski dem Wunsch von Oliver Kahn entsprechen, ist er nicht mehr da. Bayerns Vorstandschef sagt in einem Interview mit «11 Freunde», es gebe kein schöneres Gefühl, als in der allerletzten Sekunde Meister zu werden. Als Spieler hat er das zweimal erlebt. Und Kahn sagt auch, dass «wir ein Interesse haben, dass die Bundesliga elektrisierend ist». Um gleich hinterherzuschieben: «Wir werden und können nicht nachlassen. Ich habe schon öfter gesagt, dass es die Aufgabe unserer Konkurrenz ist, mit uns mitzuhalten.»
Welche Konkurrenz? Zehnmal in Serie Meister. Und nie erst in der letzten Sekunde. Sondern häufig, bevor der erste Absteiger feststand. Spannung sieht definitiv anders aus. Aber diese Saison? Ohne Lewandowskis Tore? Da sollte doch was machbar sein an der Spitze der Bundesliga.
Die Rolle des Herausforderers ist für Borussia Dortmund vorgesehen. Aber es erfordert schon etwas Fantasie, um sich Marco Reus mit der Meisterschale vorzustellen. Da ist mal die Sache mit dem Trainer. Also wieder einmal ein Neuer. Oder ein neuer Altbekannter. Nach den gescheiterten Experimenten mit den Cheftaktikern Thomas Tuchel und Lucien Favre glaubte man, Marco Rose könne mit seinem Angriffsfussball dem verkopften Spiel den Garaus machen. Aber Roses Taktik war derart einfach zu dechiffrieren, dass nach einer Saison schon wieder Schluss war.
Nun also Edin Terzic. Mit ihm verbinden sie in Dortmund Frühlingsgefühle. Es war während der vorletzten Saison, als Terzic von Favre übernahm und Dortmund wieder aufregenden Fussball zelebrierte. Auf die Idee, dass man Terzic die Mannschaft dauerhaft anvertrauen kann, hätte man schon vor Roses Verpflichtung kommen können. Nun lebt die Hoffnung, dass Terzic mit seinen Emotionen das Team wieder mitreissen kann. Aber es ist fraglich, ob sich die vorzügliche Stimmung von damals auf die Gegenwart übertragen lässt.
Es ja nicht alles prima gelaufen in Dortmund. Erling Haaland wechselte zu Manchester City. Den norwegischen Berserker im Sturm zu ersetzen, ist eine unlösbar scheinende Mission. Kommt dazu, dass bei Sebastian Haller, also Haalands Nachfolger, nur wenige Tage nach der Verpflichtung Hodenkrebs diagnostiziert wird. Der frühere Ajax-Topskorer wird monatelang ausfallen.
Trotzdem hat Dortmund schlüssige Transfers getätigt. Mit Karim Adeyemi und Nico Schlotterbeck das aufregendste Sturm- und Verteidigertalent der Republik geholt. Und mit Abwehrkante Niklas Süle einen, der aus Münchner Tagen weiss, wie man Titel gewinnt.
Trotz all dieser Dortmunder Verheissungen: Bayern wird zum elften Mal in Serie den Meistertitel feiern. Denn sie haben auf dem Transfermarkt noch etwas besser gearbeitet als in Dortmund. Für Lewandowski kam Sadio Mané, der Kometenschweif aus Liverpool. Der schiesst vielleicht nicht 30 oder mehr Tore wie der Pole. Aber für 20 Treffer ist er allemal gut genug. Und es ist ja nicht so, dass die Bayern keine Spieler mehr haben, die wissen wo das Tor steht.
Leroy Sané, aber auch Kingsley Coman und Serge Gnabry könnte es durchaus guttun, wenn sie Lewandowski nicht mehr finden und stattdessen selber den Abschluss suchen. Plus: Mit den Holländern Ryan Gravenberch (20, Mittelfeld) und Matthijs De Ligt (22, Verteidigung) haben die Bayern absolute Top-Shots verpflichtet, die trotz ihrer Jugend bereits über einen enormen Erfahrungsschatz verfügen.
Grundsätzlich gilt, was die letzten Jahre immer gegolten hat: Der FC Bayern hat das beste, ausgeglichenste und breiteste Kader der Bundesliga. Mit Abstand. Und sollte mal ein Leistungsträger schwächeln, kommt subito einer von der Bank, der als Neuzugang bei jedem anderen Bundesliga-Klub die Stadt temporär lahmlegen würde, weil die Fans gerade einen Autokorso veranstalten würde. In München braucht es dafür eine Titelfeier, falls überhaupt. Oder: Business as usual.