Für die Steinhauserin Nina Betschart (20) beginnt die Saison an der Seite einer neuen Partnerin. Das bedingt für sie wohl eine neue Bescheidenheit.
Raphael Biermayr
Bern – Steinhausen – Lugano – Teneriffa. So sah der Reiseplan von Nina Betschart vor Ostern aus, in einem Zeitraum von nicht einmal zwei Tagen. Das kam so: In Bern trainiert sie am Stützpunkt des Verbands (und bewohnt ein WG-Zimmer), in Steinhausen hat sie im Elternhaus eine Bleibe, in Lugano spielt ihr Freund Eishockey, in Teneriffa hat das letzte Trainingslager vor der Saison stattgefunden, von dem sie heute zurückkehrt. Das Unterwegssein mache ihr nichts aus, sagt Betschart. Als international tätige Beachvolleyballerin hat sie sich daran gewöhnt.
Vor allem in der vergangenen Saison war das der Fall. Unter anderem war sie in Aserbaidschan, Rumänien, China und Mexiko. Immer an ihrer Seite: Nicole Eiholzer, die Sandkastenfreundin aus Steinhausen und acht Jahre lang auch die Beachvolleyballpartnerin. Im vergangenen Herbst gaben die beiden ihre Trennung bekannt. Eine Trennung, die vom Rücktritt der Spielerin Tanja Goricanec forciert wurde: Verteidigungsspielerin Betschart (20) rückte auf und wurde der Schwyzerin Tanja Hüberli (23) zur Seite gestellt, Blockerin Eiholzer der Bernerin Dunja Gerson (beide 20).
Es ist der bislang grösste Umbruch für die Steinhauser «Beachvolleyballschwestern». Eiholzer sprach im vergangenen Dezember gegenüber dieser Zeitung von einer Situation, die mit einer Beziehung vergleichbar sei, die auseinandergeht. Betschart sagt: «Im ersten Moment war es sehr speziell. Die Trennung kam früher als erwartet, aber das gilt es zu akzeptieren.» Sie freue sich nun auf die Herausforderungen an der Seite einer neuen Partnerin. Die sind gross, auch wegen eines Positionswechsels: Statt wie bis anhin auf der linken Seite spielt sie neu rechts, die Abstimmung und die Automatismen müssen erst trainiert werden.
Was die Sponsoren von früher anbelangt, hat das Auseinandergehen mit Eiholzer sozusagen eine Gütertrennung mit sich gebracht. Die sei gütlich abgelaufen. Manche Unterstützer zogen mit ihrer jeweiligen Athletin zum neuen Team, andere hätten ihren Beitrag auf beide aufgeteilt, erklärt Betschart. Zusammen mit den Sponsoren ihrer neuen Partnerin Hüberli sei es möglich, die Reisekosten für die bevorstehende Saison zu decken. «Aber verdienen tue ich nichts dabei», sagt sie mit dem Ohnmacht verdeutlichenden Lächeln der Erfahrung. Und was die Lebenshaltungskosten anbelangt, würde sie sich im Bedarfsfall an die Eltern wenden können.
Betschart erzählt ruhig und nahezu ungerührt von ihrem Sportlerdasein, die grün-braunen Augen verraten kaum je eine Regung. Das ändert sich bei der Frage, ob sie Wert auf eine tiefere persönliche Beziehung zu ihrer neuen Beachvolleyballpartnerin legt. «Unbedingt! Das ist mir sehr wichtig», stellt sie klar. Die Vorstellung eines rein professionellen Umgangs, wie ihn vereinzelte Teams pflegen, widerstrebe ihr. «Der Spass darf nicht zu kurz kommen, nur dann klappts auch mit dem Erfolg», erklärt sie. Als Gewinnerin der Europaspiele und mehrfache Nachwuchswelt- und -europameisterin weiss sie, wovon sie spricht.
Das jetzige Umfeld ist ein neues und wird vorderhand kaum mehr von internationalen Medaillen geprägt sein: Der Übertritt ins sportliche Erwachsenenleben steht an, ihre neue Partnerin darf nicht mehr in den Nachwuchskategorien spielen. Das Ziel in der kommenden Saison sei, sich für möglichst viele Turniere auf der World Tour zu qualifizieren, sagt Betschart. Den Saisonhöhepunkt stellen die Europameisterschaften Anfang Juni in Biel dar. Auf die Olympischen Spiele bestehe wegen nicht mehr zu erfüllender Vorgaben keine Chance. Die Duos Betschart-Hüberli und Eiholzer-Gerson sind die B-Nationalteams. Beide Equipen beginnen ihre Saison ab dem kommenden Donnerstag im Rahmen der Coop Beach Tour am Hauptbahnhof Zürich (siehe Box). Und beide reisen im Anschluss daran nach China zur Qualifikation für die nächsten zwei World-Tour-Turniere.
Die viele Zeit auf Reisen wird Nina Betschart zum Lernen nutzen können. Sie befindet sich im zweiten Semester ihres Fernstudiums in Psychologie. Das war nur ihre zweite Wahl, wie sie sagt: «Eigentlich wäre ich gern Primarlehrerin für die erste und zweite Klasse geworden. Aber die grosse Anwesenheitspflicht an der Pädagogischen Hochschule macht das unmöglich für mich.»
Resignation schwingt keine mit in ihren Worten. Denn das Berufliche betrifft die Zukunft – die Gegenwart gehört dem Sport.