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Immer mehr aktive Spieler haben Kinder. Diese nehmen sie meisten nach Wimbledon mit, weil ihnen dort eine Kinderkrippe zur Verfügung steht.
Wimbledon verlässt Mandy Minella (31) in der ersten Woche, ausgeschieden in der ersten Runde. Aber nicht als Verliererin, sondern mit einer süssen Botschaft. «Ich werde 2018 wieder hier antreten – und den Kinderwagen dabei haben», schreibt sie unter ein Bild, das sie auf einem Rasenplatz zeigt und auf dem Ehemann Tim Sommer das Bäuchlein küsst, das sich unter dem blütenweissen Kleidchen wölbt. Minella ist im fünften Monat schwanger.
Vor ein paar Jahren hätte das auf der Frauen-Tour das Ende der Karriere bedeutet, doch das hat sich geändert. Das grosse Krabbeln hat eingesetzt. Weil Tennisspieler viel unterwegs und selten zu Hause sind, rückt auch das Thema der Kinderbetreuung in den Mittelpunkt des Interesses.
Gestern schlendert die Deutsche Tatjana Maria mit Ehemann Charles Edouard, Kinderwagen und Tochter Charlotte (3) an der Hand über die Anlage. Sie hat sich in den letzten Jahren den Ruf der Familienministerin unter den Spielerinnen erarbeitet.
Bei den Grand-Slam-Turnieren stehen Kinderkrippen zur Verfügung, wo sich Nannys um den Nachwuchs kümmern. In Wimbledon befindet sich der Hort bei den Trainingsplätzen im Aorangi Park. «Die Kinder malen Bilder, spielen Puzzle oder verkleiden sich. Sie essen gemeinsam, und im kleinen Garten hat es eine Rutschbahn», erzählt Maria. Bis zu 20 Kinder von 0 bis 10 Jahren würden sich dort inzwischen aufhalten.
«Bei den Australian Open gibt es einen recht kleinen Raum ohne Fenster, da passen höchstens acht Kinder rein», erzählt Maria. «In New York gibt es einen Raum zum Spielen, aber man muss sich selbst um sein Kind kümmern. Und in Paris bekommen die Kinder kein Essen, das macht es auch kompliziert.» Auf der Männer-Tour ist die Kinderbetreuung längst Usus, bei den Frauen hingegen nicht. Maria hofft, dass sich das bald ändert, weil mit Viktoria Asarenka, die im Dezember Sohn Leo gebar, und Serena Williams, die wegen ihrer ersten Schwangerschaft fehlt, zwei Spielerinnen Familien gründen, die mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen als sie.
Schon jetzt hat in der Umkleidekabine ein Wandel eingesetzt. Windeln wechseln, füttern, Schlaflieder singen und auf etwas Schlaf hoffen – das sind die Themen, die heute besprochen werden. «Man spricht über das normale Leben, das ist schön. Es ist das schönste Gefühl der Welt, eine Familie zu haben und nicht alleine zu sein», sagt Maria.
Tennis ist ein einsamer Sport, und wer erfolgreich sein will, muss eine Portion Egoismus an den Tag legen. Werden Frauen Mütter, ändert das alles. «Es geht nicht mehr nur um mich, das ist im Tennis schwierig. Ich muss mich selber austricksen, damit ich mich nicht schuldig fühle, weil ich nicht jede Sekunde mit meinem Sohn verbringe», sagt zum Beispiel Asarenka, deren Mutter und Freund sich um die Betreuung kümmern.
Bereits einige Jahre früher eingesetzt hat der Baby-Boom bei den Männern. Roger Federers Töchter Charlene und Myla werden im Sommer bereits acht Jahre alt, die Söhne Leo und Lenny sind drei. Vergleichbar sind die Situationen aber nur bedingt. «Die Männer haben den Luxus, dass sie ihre Karriere nicht unterbrechen müssen, wenn die Kinder kommen. Bei Frauen ist das schwieriger», sagt Asarenka. «Bei uns verändert sich ja auch der Körper», pflichtet ihr Maria bei.
Ein Austausch finde kaum statt. «Aber vielleicht können mir Roger, Andy oder Novak mal eine Nanny geben», scherzt sie. Als Federer im Frühling mit einem Tross von 14 Personen am Flughafen von Indian Wells landet, stehen bereits vier Autos für ihn bereit, die das sorgenlose Reisen mit Kind und Kegel ermöglichen.
Trotzdem hat auch Federer schon das Krippenangebot in Anspruch genommen. «Vor zwei Jahren in Roland Garros waren seine Mädels dort, aber die sind ja inzwischen älter», sagt Maria. In Wimbledon muss Federer nicht auf die externe Betreuung zurückgreifen, weil er hier die ganze Familie um sich schart. Vor einem Jahr bringt er die Söhne Leo und Lenny zum Training mit, wo Mutter Lynette und Frau Mirka aufpassen, während die Zwillingsmädchen mit den Betreuerinnen unterwegs sind. «Die Jungs interessieren sich mehr fürs Tennis», erzählt Federer danach im britischen TV. «Sie sind so süss, ich kann sie gar nicht oft genug knuddeln.»
Manchmal aber muss der vierfache Vater auch in London ein Machtwort sprechen. «Die Mädchen haben mich gefragt, ob sie Bücher mitbringen können, falls ihnen während des Spiels doch mal langweilig werden sollte. Hier in Wimbledon ist es das erste Mal, dass ich ihnen keine Bücher erlaubte», sagt Federer.