Goalie Leonardo Genoni beschliesst, dem SC Bern den Meister zu zeigen. Zug besiegt den Titelverteidiger im besten Saisonspiel 5:2.
Das Gipfeltreffen unseres Hockeys. Die bisher beste, intensivste Partie der Saison. Zum ersten Mal haben sich in dramatischer Art und Weise die Auswirkungen des Transfers von Leonardo Genoni gezeigt. Die Partie in Zug war für den SC Bern das erste grosse Spiel in dieser Saison. Erstens, um im Hinblick auf die Playoffs Präsenz gegen den grossen Herausforderer in dessen Stadion zu markieren. Niederlagen in Genf oder Lugano oder gegen Lausanne vermögen das SCB-Selbstvertrauen vorerst wenig zu erschüttern. Was im Herbst am meisten zählt, ist das «Massnehmen» mit dem meistgenannten Titelfavoriten. Zweitens, um die fünfte Niederlage in Serie und das Aufkommen von noch grösserer Unruhe im Büro von SCB-Manager Marc Lüthi zu vermeiden.
Dieses Spiel gegen den SCB war auch für Zug die bisher wichtigste Partie. Niederlagen in Rapperswil-Jona oder Langnau interessieren bei einem Titelfavoriten vorerst nicht. Was zählt, ist ein Erfolg über den SC Bern. Denn jeder Sieg mildert das SCB-Trauma. Die Zuger haben in drei Jahren zweimal gegen den SCB den Final verloren. Nur Taten, Siege trösten. Worte helfen da wenig.
Berns Pech in einem grossen Spiel: Genoni beschliesst, dem SCB den Meister zu zeigen. Er ist bis zur Entscheidung (4:0) überragend. Er zelebriert seine bisher beste Partie für Zug. So sind sie, die grossen Goalies. Deshalb werden sie besser bezahlt. Sie sind da, wenn es wirklich zählt. Was sind ein paar haltbare Tore gegen Langnau oder Lausanne im Vergleich mit einem Sieg über den Meister? Nichts. Eben. Genoni sorgt mit seiner Sicherheit und Ausstrahlung dafür, dass die Zuger an den Sieg glauben. Zum ersten Mal haben wir in Zug den wahren Leonardo Genoni gesehen. Zum 1:0 gibt er sogar den zweiten Assist und ist damit offensiv besser als SCB-Topskorer Mark Arcobello.
Der SCB zeigte abgesehen von einer gewissen Nervosität und einem Hang zum «Übereifer» (in dieser Situation logisch) keine klassischen Krisensymptome. Das Spiel war gut strukturiert. Von fehlender Einstellung, Kampfkraft, Härte und Leidenschaft konnte keine Rede sein. Wenn Trainer Kari Jalonen nach dem Spiel sagt, er sei mit der Einstellung, dem kämpferischen Engagement seiner Spieler zufrieden, dann hat er recht: In einem hochstehenden Spiel haben wir einen grossen SCB mit einem kleinen Torhüter gesehen. Und ein grosses Zug mit einem grossen Torhüter. Die Torhüter machten die Differenz.
Mit Pascal Caminada war es für die Berner unmöglich, dieses Spiel zu gewinnen. Seine Fangquote liegt bei miserablen 79,17 Prozent. Zwei der ersten vier Tore hätte ein grosser Goalie verhindert. Ist es richtig, bei diesem grandiosen Spiel so sehr den Torhüter ins Zentrum zu rücken? Ja. In den letzten drei Jahren haben die Zuger zweimal den Final gegen den SC Bern, gegen Leonardo Genoni verloren. Es war mehr als nur billige Polemik, wenn behauptet wird, die Mannschaft mit dem besseren Torhüter habe diese zwei Finals gewonnen. Es ist so. Deshalb hat Zugs Sportchef Reto Kläy alles daran gesetzt, dem SCB Leonardo Genoni und nicht Simon Moser oder Mark Arcobello auszuspannen.
Die Auseinandersetzungen zwischen Zug und Bern werden auch im Kopf entschieden. Die Zuger sind inzwischen über vier Linien besser besetzt. Sie sind schneller. Sie spielen das modernere, dynamischere Hockey. Aber das hilft nicht, wenn der Glaube an den Sieg fehlt. Das «Trauma» der Finalniederlagen gegen Bern (1997, 2017, 2019) kann eine ähnlich fatale Wirkung haben wie im Schwingen. Schwingen ist, wenn im wichtigsten Kampf – im eidgenössischen Schlussgang – ein eigentlich besserer Innerschweizer gegen einen Berner verliert. So geschehen 1989 in Stans, als Geni Hasler gegen Adrian Käser den Königstitel verlor. Und so geschehen soeben vor den Toren des Zuger Hockeytempels, als der flinke Joel Wicki an der Erfahrung und Kraft Christian Stuckis zerbrach.
Die Präsenz von Leonardo Genoni, das «Genoni-Doping» ist das beste Mittel gegen diesen leistungshemmenden Komplex. Nach dem Motto: Der Titan, an dem wir zweimal zerbrochen sind, ist nun in unseren Reichen.
Aber da war natürlich bei Zug mehr als «nur» Leonardo Genoni. Sind die Zuger je so über einen Gegner hinweggebraust wie in diesem ersten Drittel gegen den SC Bern? Nein, wahrscheinlich nicht. Da haben Tempo, Intensität und Zielstrebigkeit ein nur selten gesehenes hohes Niveau erreicht. Lino Martschini war schon immer eine leichtfüssige Tanzmaus. Aber jetzt ist er so gut wie noch nie: schnell, robust, nervenstark. Er personifiziert eine wichtige Qualität seiner Mannschaft: Keiner hat sich durch die Härte und die Provokationen der Berner einschüchtern oder aus dem Konzept bringen lassen. Auch das ist Kopfsache. Auch das hat mit dem «Genoni-Doping» zu tun.
Beim Verlassen des Stadions fällt dem neutralen Beobachter noch etwas auf: Beim Saisonstart prangten an den Wänden des Zuger Hockey-Tempels grosse, schöne Fotografien des Eidgenössischen Schwingfestes. Jenes Sportfestes, das mit einer weiteren dramatischen Niederlage der Innerschweizer endete. Jetzt sind an diesen Stellen selbstbewusste EVZ-Plakate zu sehen. Auch das ein Schritt, um das «Bern-Trauma» endlich zu überwinden.