Startseite
Sport
Die nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Seefeld werden von einem Doping-Skandal überschattet. Es wurden sieben Personen festgenommen, davon fünf Langläufer. Beim klassischen 15-km-Rennen der Männer fehlten am Nachmittag mehrere Athleten.
(sda/jvf) Bei den verhafteten Personen handelt es sich unter anderen um die österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf sowie einen kasachischen und zwei estnische Athleten, wie das österreichische Bundeskriminalamt mitteilte. In Deutschland wurde ein Sportarzt und ein deutscher Komplize festgenommen.
«Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat zu erleben», sagte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt bei einer Medienkonferenz am Mittwoch in Innsbruck. Demnach sei ein Sportler mit Bluttransfusion im Arm angetroffen und festgenommen worden. Um welchen der fünf betroffenen Sportler es sich handelt, wurde nicht bekannt. «Ich bitte um Verständnis, dass wir zu den einzelnen Sportlern keine Angaben machen», sagte Csefan.
Der deutsche ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt hatte in den sozialen Medien von mehreren Razzien in der Nähe der WM-Strecken berichtet, auf denen am Nachmittag das Rennen über 15 Kilometer stattfand. Bisher hat es bei der WM in Seefeld keine Dopingfälle gegeben.
Der mutmassliche Kopf des kriminellen Dopingnetzwerkes ist ein Sportmediziner aus Erfurt, der sich mit einem Komplizen ebenfalls unter den Festgenommenen befindet. In Deutschland fanden ebenfalls mehrere Hausdurchsuchungen statt. Die Behörden ermitteln seit mehreren Monaten «wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken». Die Gruppierung in Erfurt sei dringend verdächtig, «seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern und daran zu verdienen», hiess es weiter.
Der bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 positiv auf EPO getestete Langläufer Johannes Dürr hatte im Januar umfassend über die Doping-Praktiken im Leistungssport ausgepackt, hatte sich dann aber nicht für die WM qualifiziert. Seine Aussagen halfen nun auch bei der Operation «Aderlass».
Das österreichische Bundeskriminalamt hatte schon vor gut zwei Jahren bei der Biathlon-WM in Hochfilzen in den Team-Unterkünften der kasachischen Nationalmannschaft eine Razzia durchgeführt. Bei der nächtlichen Durchsuchung wurden zahlreiche medizinische Produkte und Medikamente sichergestellt.
Luis Stadlober im ORF: Der einzige Österreicher, der heute am Start war, wurde 56. und verpasste sein Ziel damit deutlich. «Das war eine sehr, sehr schwierige Situation», sagte Stadlober im ORF. «Ich belege das Zimmer gegenüber und hörte am Morgen, dass das Bundeskriminalamt eine Hausdurchsuchung macht … Das ist natürlich nicht die optimale Rennvorbereitung. Einfach eine Scheiss-Situation. Warum macht man so etwas? Wie schafft man das, dass man jeden anlügt, dass man den österreichischen Langlaufsport so zerstört?»
Die Pressekonferenz ist beendet.
Csefan: «Wir stehen am Anfang der Ermittlungen. Wir gehen aber von mindestens fünf Jahren aus, in denen dieses kriminelle Netzwerk weltweit aktiv war.»
Dario Cologna im SRF-Interview: «Ich habe alles erst jetzt nach dem Rennen mitbekommen und das ist natürlich eine traurige Nachricht für den Sport. Auf der anderen Seite finde ich es gut, erwischt man die Sünder.»
Csefan: «Das Netzwerk agiert seit Jahren und weltweit, es sind sicher auch andere Sportarten betroffen. Wir stecken mitten in den Vernehmungen und Ermittlungen, deshalb kann ich nicht mehr sagen.»
«Einer der Läufer wurde bei der Wohnungsöffnung mit der Blutinfusion im Arm erwischt.»
«Die Sportler befinden sich in Haft und werden derzeit von Kollegen vernommen.»
Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt: «Ausgangslage war eine Zeugenaussage eines ehemaligen Langläufers (wohl Johannes Dürr, Anmerkung der Redaktion) … Wir konnten eine kriminelle Organisation ausheben und mit heutigem Tag zerschlagen. Es handelt sich um einen 40-jährigen Sportmediziner aus Erfurt, der mit seinen Komplizen seit Jahren illegal tätig ist.»
Die Pressekonferenz live
Hansjörg Mayr, Sprecher Staatsanwaltschaft Innsbruck: «Es besteht der Verdacht des Dopings und des Sportbetrugs. Konkret geht es um Eigenblutdoping. Es sind fünf Sportler betroffen: Zwei österreichische, zwei estnische und ein kasachischer Langläufer. Betroffen sind auch ein Sportmediziner aus Deutschland und weitere Komplizen von ihm. Sie wurden heute festgenommen, zeitgleich in Seefeld und in Erfurt.»
Weltmeister über 15 Kilometer klassisch ist übrigens Martin Johnsrud Sundby vor Alexander Bessmertnykh und Iivo Niskanen.
Markus Gandler, der Rennsportdirektor für Langlauf und Biathlon beim österreichischen Skiverband ÖSV sagt: «Das sind erwachsene Leute, da kümmert sich eine acht-, neunköpfige Mannschaft seit dem frühen Morgen um die Ski. Wir bewachen die ja nicht auf Schritt und Tritt. Die haben auch genügend Freizeit, um so einen Blödsinn zu machen. Ich wurde von den Ermittlern gebeten, bei der Suche nach den beiden Athleten zu helfen. Einer war da, nach dem anderen musste zunächst noch gesucht werden.»
Vier Personen festgenommen. Zwei in Deutschland - zwei in Österreich. Laut Ermittler „weltweit agierendes Dopingnetzwerk“. Und woher kommen die vier: alle aus Deutschland. Sagt eine Menge über die Heuchelei mancher vermeintlicher „Sportromantiker“ in Deutschland aus
— Hajo Seppelt (@hajoseppelt) 27. Februar 2019
Der prominenteste Abwesende ist Alexej Poltoranin. Der Kasache dürfte damit ebenfalls in den Doping-Skandal verwickelt sein. Pikant: Bereits im Herbst wurden neun kasachische Biathletinnen wegen Doping-Verdachts provisorisch gesperrt. Darunter Olga Polotoranina – die Frau von Alexej Poltoranin.
Beim klassischen 15-km-Rennen der Männer, das um 14 Uhr gestartet ist, fehlen die beiden Österreicher Dominik Baldauf und Max Hauke. Auch die Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjarv standen nicht am Start.
Das Österreichische Bundeskriminalamt hat mittlerweile informiert, dass bei der «Operation Aderlass» genannten Razzia neun Personen festgenommen wurden. Fünf davon seien Spitzensportler. Neben den beiden Österreichern handelt es sich um einen kasachischen und zwei estnische Spitzensportler. Unter den Verhafteten seien zwei Polizeispitzensportler aus dem Nationalkader Langlauf/Nationalmannschaft, die derzeit die polizeiliche Grundausbildung absolvieren.
Österreichischer Skiverband hält Krisensitzung ab in Seefeld. Zwei Österreicher offenbar von der Polizei mitgenommen.
— Hajo Seppelt (@hajoseppelt) 27. Februar 2019
Gemäss Hajo Seppelt, dem in der Regel gut informierten Dopingredaktor der ARD, führte das Bundeskriminalamt am Mittwochmorgen in Seefeld eine Razzia durch. Laut der «Krone»-Zeitung gab es einen Polizeieinsatz im Quartier von Österreichs Langläufern. Dabei wurden zwei Athleten verhaftet. Die Zeitung meldet weiter, dass es sich dabei um die Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke handelt, die beim Teamsprint Sechste wurden. Bestätigt sind die Namen bislang noch nicht. Die beiden sollen beim Blutdoping in der Unterkunft erwischt worden sein.
Auch im deutschen Erfurt waren Polizisten im Einsatz. Dort ist die Praxis eines Sportmediziners betroffen, der über einen längeren Zeitraum observiert worden war. Es kam zu zwei weiteren Verhaftungen. Laut Seppelt handelt es sich um eine koordinierte Massnahme deutscher und österreichischer Ermittlungsbehörden.